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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Reich-Ranicki war der Überzeugung, dass es in der Literaturkritik nicht darauf ankomme, „selber dichterisch zu denken, sondern das Dichten und Denken anderer zu erkennen und zu ĂŒberprĂŒfen, zu zeigen und einzuordnen“.241 Walter Benjamin warf er vor, „zu sehr poetischer Denker“ gewesen zu sein, um als „Literaturkritiker“ zu arbeiten,242 wĂ€hrend Handke sein VerstĂ€ndnis von Literaturkritik 1984 in einer programmatischen Rede ausdrĂŒcklich in dessen Nachfolge gestellt und die Unvereinbarkeit von dichterischem und kritischem Schreiben vehement bestritten hat: „WĂŒrde das WĂŒnschen helfen, so wĂ€re folgendes mein Wunsch: eine Wiederholung, eine Erneuerung, eine Wieder- belebung der Haltung Walter Benjamins.“ 243 Handke bezieht sich hier nicht auf Benjamins Ende der 1920er Jahre intensivierte Agitation fĂŒr eine politisch engagierte, materialistische Praxis der Kritik, der das „Kunstwerk“ als „blanke Waffe in dem Kampfe der Geister“ dient.244 Vielmehr zielt er mit der emphati- schen Hoffnung auf eine „Wiederbelebung“ auf eine markante Traditionslinie in der deutschen Literaturkritik ab, die sich von Novalis’ im ersten Band des AthenĂ€ums skizziertem Ideal des „artistischen Kritikers“, „dessen Arbeiten die Geschichte der Kunst vorbereiten“,245 bis ins 20.  Jahrhundert verfolgen lĂ€sst: zu Benjamins in den ‚Dreizehn Thesen‘ zur ‚Technik des Kritikers‘ im Band Ein- bahnstraße (1928) formulierter Forderung, die Kritik mĂŒsse „in der Sprache der 241 Marcel Reich-Ranicki: Walter Benjamin. Der poetische Denker. [1972] In: M. R.-R.: Die AnwĂ€lte der Literatur (Anm.  234), S.  227 – 236, hier S.  234 f. 242 Ebd., S.  235. Zu Reich-Ranickis Vorbehalten gegenĂŒber Benjamin vgl. Franz Schuh: All you need is love. Notizen und Exzerpte zur (Literatur-)Kritik. In: F. S.: SchreibkrĂ€fte. Über Literatur, GlĂŒck und UnglĂŒck. Köln: DuMont 2000, S.  24 – 114, hier S.  69 – 71; Christoph Schmitt-Maaß: Kritischer Kannibalismus. Eine Genealogie der Literaturkritik seit der FrĂŒhaufklĂ€rung. Biele- feld: transcript 2019, S.  134 – 137. 243 Peter Handke: Einwenden und Hochhalten. Rede auf Gustav JanuĆĄ. [1984] In: P. H.: Langsam im Schatten. Gesammelte Verzettelungen. 1980 – 1992. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1992, S.  125 – 135, hier S.  127. Vgl. zu dieser Rede Kap.  III, Abschnitt „Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik“. 244 Walter Benjamin: Einbahnstraße. In: W. B.: Gesammelte Schriften. Unter Mitwirkung v. Theodor W. Adorno u. Gershom Scholem hg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann SchweppenhĂ€user. Bd.  IV.1. Hg. v. Tillman Rexroth. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1972, S.  83 – 148, hier S.  109. Vgl. dazu Benjamins umfangreiche Vorarbeiten fĂŒr eine Einleitung zu einem nie realisierten Band mit gesammelten Kritiken; ders.: Zur Literaturkritik. In: W. B.: Gesammelte Schriften. Bd. VI. Hg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann SchweppenhĂ€user. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1985, S.  161 – 183. Zum Plan dieses Bandes vgl. Uwe Steiner: Walter Benjamin. Stuttgart, Weimar: Metzler 2004, S.  99 f., sowie Michael Opitz: Literaturkritik. In: Benjamin-Handbuch. Leben  – Werk  – Wir- kung. Hg. v. Burkhardt Lindner. Unter Mitarb. v. Thomas KĂŒpper u. Timo Skrandies. Stuttgart, Weimar: Metzler 2006, S.  311 – 332, hier S.  323 f. 245 [Novalis:] BlĂŒthenstaub. In: AthenĂ€um. Eine Zeitschrift v. August Wilhelm Schlegel u. Friedrich Schlegel. Ersten Bandes Erstes StĂŒck. Berlin: Vieweg 1798, S.  70 – 106, hier S.  85. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 269 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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