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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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und wie man sie ausĂŒbt, das kann man dort [i. e. im Gerichtssaal] sehr gut stu- dieren“, so der Autor im Interview mit Peter Hamm (TBW 22.2, 113). Zudem hat er die Vermutung geĂ€ußert, seine charakteristische ‚Übertreibungskunst‘ habe sich bereits in diesen Jahren, in den Berichten ĂŒber KriminalfĂ€lle und Gerichts- urteile, herausgebildet und entwickelt  – eine Behauptung freilich, die sich in Teilen als kaum haltbar erweist und dem allgegenwĂ€rtigen Hang zur Stilisierung der eigenen Biographie in Bernhards öffentlichen SelbstauskĂŒnften geschuldet zu sein scheint.50 Andererseits verweisen die KurzprosabĂ€nde Ereignisse (1969) und vor allem Der Stimmenimitator (1978) auch formal auf Textverfahren dieser frĂŒhen, zualler- erst auf „Broterwerb“ 51 ausgerichteten journalistischen Arbeiten. In vielen Minia- turen des Stimmenimitators geht Bernhard vom Duktus und von den Sujets der Gerichtssaalberichte aus, ĂŒberfĂŒhrt die KriminalfĂ€lle, Morde und Gewaltdelikte, von denen berichtet wird, aber ein ums andere Mal ins Absurde und Groteske.52 ĂŒberlĂ€sst darin dem Mathematiker und Juristen Undt das Geld aus dem Verkauf seiner Besitzungen, das dieser wiederum zur UnterstĂŒtzung entlassener HĂ€ftlinge verwendet. In Meine Preise berichtet Bernhard davon, dass dazu auch eine biographische Entsprechung existiert: Die Preissumme des Franz-Theodor-Csokor-Preises in Höhe von 15.000 Schilling spendete Bernhard 1972 der „HĂ€ftlingsfĂŒrsorge in Stein“ (TBW 22.2, 432). Zu den Hinter- grĂŒnden und dazu, dass es sich hierbei, im Gegensatz zu anderen Angaben in Meine Preise, wohl nicht um eine literarische Stilisierung handelt, vgl. Mittermayer: Thomas Bernhard [2015] (Anm.  25), S.  244 f. 50 WĂ€hrend Bernhard im GesprĂ€ch mit Krista Fleischmann behauptet, er habe im Zuge seiner Arbeit fĂŒr das Demokratische Volksblatt als Reporter auch ĂŒber schwere UnfĂ€lle mit mehreren Toten berichtet und der Zeitung „durch Falschmeldungen und Übertreibungen“ zu höheren Auflagezahlen verholfen (TBW 22.2, 324 f.), hat Herbert Moritz, sein damaliger Vorgesetzter in der Redaktion, betont, „daß Bernhard wĂ€hrend seiner ganzen TĂ€tigkeit fĂŒr das ‚Demo- kratische Volksblatt‘ nie als Berichterstatter zu einem Unfall oder einer Brandkatastrophe geschickt worden ist“ (Moritz: Lehrjahre [Anm.  44], S.  18). In den Gerichtssaalberichten jedoch habe Bernhard „seine Phantasie uferlos schweifen“ lassen und sich „immer weiter von der Wirklichkeit entfernt“ (Moritz: Das Milieu der Gerichtsberichte hat ihn beeinflusst [Anm.  46], S.  46). Vgl. dazu auch Bernhards Bemerkungen im GesprĂ€ch mit Peter Hamm (TBW 22.2, 112 f.). 51 Jens Dittmar: Thomas Bernhard als Journalist beim Demokratischen Volksblatt. In: Bernhard. AnnĂ€herungen. Hg. v. Manfred Jurgensen. Bern, MĂŒnchen: Francke 1981, S.  15 – 35, hier S.  16. 52 Vgl. Franz M. Eybl: Thomas Bernhards Stimmenimitator als Resonanz eigener und fremder Rede. In: Kontinent Bernhard. Zur Thomas-Bernhard-Rezeption in Europa. Hg. v. Wolfram Bayer. Wien u. a.: Böhlau 1995, S.  31 – 43, hier S.  33: „Die epischen Kleinformen  – ihre LĂ€nge schwankt zwischen vier Druckzeilen und zweieinhalb Druckseiten  – berichten im Stil von Anekdoten, Zeitungsmeldungen oder Gerichtssaalberichten von ganz und gar außergewöhn- lichen Ereignissen, aber auch vom Schrecken des Gewöhnlichen.“ Dazu auch Till Greite: „Prozesse, nichts als Prozesse“. Thomas Bernhard. Vom Gerichtsberichterstatter zum Fall fĂŒr die Justiz. In: Recht, sachlich. Hg. v. David Oels, Stephan Porombka u. Eberhard SchĂŒtz. Han- nover: Wehrhahn 2009, S.  95 – 102, hier S.  99: „[D]ie Texte imitieren gezielt die ‚Stimmen‘ von „Zeitungsg’schicht’ln“: Thomas Bernhard als Literaturkritiker286 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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