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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Seite - 376 -
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Werk beschĂ€ftigt und dabei entscheidende Einsichten in Bernhards Produktions- Ă€sthetik gewonnen.101 Den Zweifel an der FĂ€higkeit, mit einer literarischen oder wissenschaftlichen Schrift der (nicht zuletzt emotionalen) KomplexitĂ€t des Lebens gerecht werden zu können, hat Bernhard sowohl in fiktionalen Texten als auch in paratextuellen Kommentaren zum Ausdruck gebracht; fĂŒr mehrere BĂŒcher des Autors stellen „die Unmöglichkeit, die Wahrheit zu sagen“ (TBW 22.1, 610), und der Skrupel davor, es trotzdem zu tun, zentrale Motive dar.102 Der Roman Korrektur (1975) ist in diesem Zusammenhang ein besonders prĂ€gnantes Beispiel, weil das geschilderte Problem hier die Grenze zwischen Leben und Werk transzendiert: Das Spiel mit dem Titelwort „Korrektur“ begleitet zunĂ€chst die Entstehung des Textes, insbe- sondere die Korrespondenz mit Siegfried Unseld, es prĂ€gt aber auch die Zuspit- zung des erzĂ€hlten Konflikts im Buch selbst. Wenn gegen Ende des Romans gar von der „Korrektur der Korrektur der Korrektur der Korrektur“ (TBW 4, 317) die Rede ist, greift die rhetorische Figur die wechselvolle Textgenese von Kor- rektur ironisch auf; außerdem verweist die heißlaufende Genetivkonstruktion auf die Krise des Protagonisten Roithamer, der seine Studie auf der Suche nach intellektueller Perfektion durch fortwĂ€hrende KĂŒrzungen am Ende gĂ€nzlich tilgt. Im Sommer 1972 hatte Bernhard, aktuell von den publizistischen, schließ- lich auch juristischen Nachwehen des Salzburger ‚Notlichtskandals‘ in Beschlag genommen,103 seinem Verleger Unseld mitgeteilt, er werde nicht zu einer AuffĂŒh- rung von Der Ignorant und der Wahnsinnige nach Berlin reisen können, weil er damit beschĂ€ftigt sei, „die ‚Korrektur‘ [zu] korrigieren“.104 Der Titel von Bernhards 101 Mittermayer: Thomas Bernhard [2015] (Anm.  4), S.  282. Vgl. u. a. Manfred Mittermayer: „Der Wahrheitsgehalt der LĂŒge“. Thomas Bernhards autobiographische Inszenierungen. In: Spie- gel und Maske. Konstruktionen biographischer Wahrheit. Hg. v. Bernhard Fetz u. Hannes Schweiger. Wien: Zsolnay 2006, S.  79 – 94; Olaf Kramer: Wahrheit als LĂŒge, LĂŒge als Wahrheit. Thomas Bernhards Autobiographie als rhetorisch-strategisches Konstrukt. In: Rhetorik und Sprachkunst bei Thomas Bernhard (Anm.  27), S.  105 – 122; an einem konkreten Beispiel hat dies Martin Huber: „beinahe alles falsch“? Dichtung und Wahrheit in Thomas Bernhards Meine Preise. In: Text + Kritik (42016), H.  43, S.  10 – 28, durchgespielt. 102 Vgl., um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, die folgende Passage aus Ja (1978): „Aber alles zu Schreibende muß immer wieder von vorne angefangen und immer wieder aufs neue ver- sucht werden, bis es wenigstens einmal annĂ€hernd, wenn auch niemals zufriedenstellend glĂŒckt. Und ist es noch so aussichtslos und ist es noch so fĂŒrchterlich und so hoffnungslos, es sollte doch immer wieder, wenn wir einen Gegenstand haben, der uns immer wieder und immer wieder mit der grĂ¶ĂŸten HartnĂ€ckigkeit peinigt und nicht mehr in Ruhe lĂ€ĂŸt, probiert werden.“ (TBW 13, 34 f.) 103 Dazu die Chronik von Karl Ignaz Hennetmair: Ein Jahr mit Thomas Bernhard. Das versiegelte Tagebuch 1972. St.  Pölten u. a.: Residenz 52014, bes. S.  254 – 369. Vgl. die Zusammenfassung in Mittermayer: Thomas Bernhard [2015] (Anm.  4), S.  221 – 225. 104 Bernhard an Unseld, 11. 8. 1972. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  2), S.  293. Rezensionen, die keine sind: Kritik und Selbstkritik bei Thomas Bernhard376 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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