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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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auch als schonungslose und fatale Karikatur des KĂŒnstlers und seiner „Sehnsucht nach Anerkennung“.167 Wie es fĂŒr den erst gegen Ende seiner Karriere mit Ehrungen ĂŒberhĂ€uften Schriftsteller Moritz Meister in Über allen Gipfeln ist Ruh (1981) eine andauernde KrĂ€nkung darstellt, einst „fĂŒnfunddreißig Jahre ohne Echo“ geblieben zu sein (TBW 18, 225), steht auch das Selbstbild Bruscons in einer offensichtlichen AbhĂ€ngigkeit vom Urteil und von der BestĂ€tigung anderer. Hier wie dort, in der Fiktion der ErzĂ€hl- und Theatertexte wie in der Praxis als Schriftsteller, verschrĂ€nken sich „Selbstkritik und Narzißmus“ 168 auf prekĂ€re Weise, und sie stehen dabei nur auf den ersten Blick in Widerspruch zueinander. Bernhards Groll gegen die „Dummheit der Beurteiler“,169 denen er die Eignung und ZustĂ€ndigkeit fĂŒr die Kommentierung seiner Texte meist grundsĂ€tzlich abspricht, erweist sich vor diesem Hintergrund als hochgradig ambivalent. „Nur wenige soziale Individuen“, hat Pierre Bourdieu in diesem Zusammenhang betont, „hĂ€ngen so sehr wie die KĂŒnstler  [
] in dem, was sie sind, und in ihrem Bild von sich selbst von der Vorstellung ab, die sich die anderen von ihnen machen.“ 170 Dass Bernhard diese AbhĂ€ngigkeit wiederholt negiert hat, spricht nicht gegen Bourdieus Deutung, ja sie lĂ€sst sich vielmehr als Beleg dafĂŒr anfĂŒhren, wie sehr die PrĂ€tention interesselosen Handelns fĂŒr Autorinnen und Autoren am auto- nomen Pol des literarischen Feldes wichtig ist fĂŒr deren schriftstellerisches self- fashioning;171 anderen MaßstĂ€ben als den eigenen zu folgen, gilt dort als Zeichen der SchwĂ€che und Heteronomie. Auch komische Szenen, wie jene in Minetti (1976), in der der titelgebende Schauspieler davon berichtet, „in der NĂ€he von Folkestone  / von einem Gastwirt  / in den Ärmelkanal geworfen worden“ zu sein, worauf er, „[a]ngeklammert an eine Wochenendausgabe der TIMES“, aus dem Wasser gerettet werden musste, weshalb er der Zeitung buchstĂ€blich „[s]eine wei- tere Existenz“ „verdanke“ (TBW 17, 38), haben indirekt teil an der bestĂ€ndigen Reflexion ĂŒber die Beziehung von Kunst, Kritik und Öffentlichkeit in Bernhards 167 Mittermayer: Thomas Bernhard [2015] (Anm.  4), S.  14. 168 Markus Scheffler: Kunsthaß im Grunde. Über Melancholie bei Arthur Schopenhauer und deren Verwendung in Thomas Bernhards Prosa. Heidelberg: Winter 2008, S.  324. 169 Bernhard an Unseld, 17. 12. 1981. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  2), S.  644. 170 Pierre Bourdieu: KĂŒnstlerische Konzeption und intellektuelles KrĂ€ftefeld. In: P. B.: Kunst und Kultur (Anm.  43), S.  7 – 49, hier S.  17.  – Vgl. dazu auch Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. MĂŒnchen, Wien: Hanser 1998, S.  140: „Auch wenn es denen, die sich zum Gang in die Öffentlichkeit entschließen, nicht nur und nicht vorrangig um das SelbstwertgefĂŒhl geht, hĂ€ngt ihre SelbstwertschĂ€tzung fortan vom Kurswert ihres persön- lichen Kapitals ab.“ 171 Die „Betonung der kĂŒnstlerischen Autonomie“ hat Michael Billenkamp: Provokation und posture. Thomas Bernhard und die Medienkarriere der Figur Bernhard. In: Mediale Erregun- gen? Autonomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart. Hg. v. Markus Joch, York-Gothart Mix u. Norbert Christian Wolf. TĂŒbingen: Niemeyer 2009, S.  23 – 43, hier S.  35, zum „Leitgedanken“ von Bernhards „öffentliche[r] Selbstinszenierung“ erklĂ€rt. Vom „Streben nach eigener Billigung“ 393 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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