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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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gleich in welcher Richtung, zu verlangsamen“,3 schreibt Bernhard im November 1970  – seine Rede zur Verleihung des Georg-BĂŒchner-Preises hatte kurz zuvor fĂŒr geteiltes Echo im Feuilleton gesorgt  – an Siegfried Unseld, um diese Beteuerung in der Folge ein ums andere Mal zu wiederholen. Er bekomme, so Bernhard 1977 im GesprĂ€ch mit dem Kulturjournalisten Peter von Becker, zwar „regelmĂ€ĂŸig eine Wut“ bei der LektĂŒre von Kritiken, „weil sowieso immer alles falsch ist“, aus der Fassung könnten sie ihn, wie er versichert, aber schon lange nicht mehr bringen: „Ich bin mir meiner Sache vollkommen sicher.“ 4 Im kurz darauf erschienenen Band Der Atem. Eine Entscheidung (1978) hĂ€lt denn auch der autobiographische ErzĂ€hler im Zuge seines Berichts fest, dass „auf das KopfschĂŒtteln, gleich auf wel- cher Seite und mag sie sich als die kompetenteste ansehen, keinerlei RĂŒcksicht genommen“ werden könne (TBW 10, 265)  – es liegt nahe, in diesem antizipierten „KopfschĂŒtteln“ auch das Urteil mancher Literaturkritiker zu vermuten. Alle „Kritiker-Warnungen, die sein Werk von Anfang an begleiten“, habe Bernhard, so Ulrich Greiner, stets „in den Wind“ geschlagen. Er sei nachgerade trotzig „bei immer denselben Konstellationen“ geblieben, „die er in der immer selben kreisenden, bohrenden, auf Ă€ußere Geschehnisse mehr und mehr verzich- tenden Sprache abhandelt.“ 5 Dass diese prĂ€tendierte Sicherheit und SouverĂ€ni- tĂ€t durchaus zwiespĂ€ltig war, weil Bernhard sich um die Rezeption seiner Texte stets besorgt zeigte und ihn manche Verrisse tatsĂ€chlich „furchtbar“ schmerzten, wurde im letzten Kapitel bereits ausfĂŒhrlich geschildert.6 Es geht dabei nicht zuletzt um den von Georg Franck in seiner Ökonomie der Aufmerksamkeit her- vorgehobenen Umstand, dass die „Rolle, die wir im anderen Bewußtsein spie- len“, ein integraler „Bestandteil unseres Selbstbildes“ ist.7 FĂŒr das VerhĂ€ltnis von Literatur und Literaturkritik heißt das, dass die Selbstbilder, die Autorinnen und Autoren von sich selbst und ihrem Schreiben entwerfen, nicht ohne die Rollen, die sie im „Bewußtsein“ der Rezensenten spielen, auskommen, sondern stets in Korrespondenz zu diesen stehen  – so vehement Erstere dies auch von sich weisen. 3 Thomas Bernhard an Siegfried Unseld, 4. 11. 1970. In: T. B./S. U.: Der Briefwechsel. Hg. v. Raimund Fellinger, Martin Huber u. Julia Ketterer. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009, S.  200. 4 Peter von Becker: Bei Bernhard. Eine Geschichte in 15 Episoden. In: Theater 1978. Sonderheft der Zeitschrift Theater heute. Bilanz und Chronik der Saison 77/78 (1978), S.  80 – 87, hier S.  85. 5 Ulrich Greiner: Die Tortur, die Thomas Bernhard heißt: Korrektur und Die Ursache. [1975] In: U. G.: Der Tod des Nachsommers. AufsĂ€tze, PortrĂ€ts, Kritiken zur österreichischen Gegen- wartsliteratur. MĂŒnchen, Wien: Hanser 1979, S.  65 – 72, hier S.  65. 6 Krista Fleischmann: Hilde Spiel. In: K. F.: Thomas Bernhard  – Eine Erinnerung. Interviews zur Person. Wien: Edition S 1992, S.  141 – 150, hier S.  146.  – Vgl. Kap.  VII, Abschnitt „Vom ‚Streben nach eigener Billigung‘“. 7 Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. MĂŒnchen, Wien: Hanser 1998, S.  24. „Angemessener Umgang mit der Aufmerksamkeit anderer zĂ€hlt“, so Franck, „zum Schwie- rigsten, was uns Menschen aufgegeben ist.“ (Ebd., S.  219) Kraft durch Feinde: Eine Art Epilog398 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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