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51Methode
und Konzepte
Die Gewaltmomente, die ich in der Arbeit untersuche, waren also zeit-
lich und räumlich begrenzte Ausnahmesituationen, die von einem friedlichen
Alltag abwichen. Gewalt lässt sich somit als intensive, nicht legitime, punktu-
elle Grenzüberschreitung verstehen.116 Die Gewaltmomente erschließen sich
zwar mit einer alltagsgeschichtlichen Methode, das heißt den punktuellen
Nahaufnahmen am besten,117 aber sie geben nicht den Alltag wieder.118 Die
Gewalt ging immer von wenigen Menschen aus – Randall Colling schreibt
diesbezüglich von »violent few«.119 Wieso sollten wir uns aber mit Gewalt-
momenten befassen, wenn sie ohnehin nur kurze Momente und wenige Men-
schen mit einbezogen? Mit der Definition der Gewalt als begrenzte Momente
einzelner, weniger Menschen wird nicht die makropolitische Wirkung der
Gewalt, die sehr groß war, sondern ihre alltägliche Gegenwärtigkeit infrage
gestellt. Die Fokussierung auf die Gewaltmomente – eben als Momente –
relativiert die lokale Bedeutung der »Nationalitätenfrage« als einer angeblich
strukturellen (immerwährenden, ständig lauernden) Gewalt.
Machtstrukturen und gesellschaftliche Kräfteverhältnisse müssen bei der
Gewaltanalyse mit einbezogen werden, damit die Gewaltakte der konkreten
Akteure im ganzen Kontext der Handlung verstanden werden können: Die
Gewalt ist zwar nicht notwendigerweise strukturell immanent, aber unter
anderem von sozialen Strukturen möglicherweise bedingt.120 Zwischen
einem Priester und seiner Kirchengemeinde, zwischen einem Bischof und
einem Priester, zwischen einem Bischof und den lokalen Kirchgängern, zwi-
schen der städtischen Elite und der katholischen Kirche bestanden viele Ebe-
nen asymmetrischer Machtverhältnisse. Die Gewaltakte können mit Hinweis
auf die soziale Position der Angreifer und der Angreifenden in solchen Ver-
hältnissen besser erklärt und verstanden werden – aber immer als konkrete
Handlungen konkreter Personen, die auch anders hätten handeln können.
116 Ebd., S. 373.
117 Gewalt lässt sich am besten aus den alltäglichen Nahaufnahmen beobachten; vgl.
Thomas Lindenberger / Alf Lüdtke, Physische Gewalt – eine Kontinuität der
Moderne, in: Dies. (Hg.), Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit,
Frankfurt a. M. 1995, S. 9–47, hier S. 30.
118 Jörg Baberowski meint im Gegensatz dazu, dass die Gewalt eine ständig lauernde
Potenzialität der Normalität (praktisch der menschlichen Natur) und keine Abwei-
chung von ihr sei; vgl. Jörg Baberowski, Einleitung. Ermöglichungsräume exzes-
siver Gewalt, in: Ders. / Gabriele Metzler (Hg.), Gewalträume. Soziale Ordnungen
im Ausnahmezustand, Frankfurt a. M. / New York 2012, S. 7–27, hier S. 10ff.
119 Randall Collins, Violence. A Micro-sociological Theory, Princeton / Oxford 2008,
S. 370ff.
120 Michaela Christ / Christian Gudehus, Gewalt – Begriffe und Forschungspro-
gramme, in: Dies. (Hg.), Gewalt. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2013,
S. 1–16, hier S. 11.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303