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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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65Imperium und Nation Diese liberale und supranationale Politik hatte aber eine negative Kehr- seite, weil sie gleichzeitig die diskursive Basis der »Nationalitätenkonflikte« ermöglichte. Die Basis, auf der sich das Modell der Anerkennung aufbaut, ist das staatlich abverlangte und festgestellte Bekenntnis zu einer eindeuti- gen »Identität«. Insofern klammert es sowohl die wechselbare Situativität der »Identitäten« (Rogers Brubaker) als auch die nationalen Indifferenzen (Tara Zahra) aus. Auch wenn das habsburgische Zentraleuropa kein geschlossener Containerraum,36 sondern ein wandelndes Gefüge war, konnte die dynami- sche, prozesshafte Fluidität, die Plurikulturalität der Gesellschaft, wegen der multikulturellen (also einordnenden, kategorisierenden) Staatspolitik weni- ger zum Ausdruck kommen.37 Daher wurden Schule oder Wahlregister nach vermeintlichen ethnisch-sprachlichen Differenzen gespalten und organisiert bzw. wurde daher in der Statistik nur nach einer Umgangssprache gefragt (und somit alle anderen im Alltag benutzten Sprachen nicht berücksichtigt), was die mehrsprachliche Realität komplett ausblendete. Die Anerkennung der ethnisch-nationalen (usw.) »Identitäten« führte zu einer kommunita- ristischen Absonderung und Begrenzung, das heißt zu einer von außen her auferlegten »Gruppenbildung«. Die Anerkennung der »Gruppenidentitäten« geht  – wie Kwame Anthony Appiah betont  – auch mit ihrer Essentialisierung einher.38 Das österreichische Modell schaffte insofern nicht nur einen supra- nationalen Rahmen ohne ethnische Homogenität und Hegemonie, sondern auch eine Öffentlichkeit, in der  – trotz der ambivalenten, fluiden, oft indif- ferenten Realität der lokalen Ebene  – immer mehr das nationalistische Clus- terdenken die politische Sprache und die politischen Debatten bestimmten. Das staatlich geschaffene und nationalistisch bediente Clusterdenken prägte auch die spätere historiographische und erinnerungspolitische Wahr- nehmung der ganzen Habsburgermonarchie, als ob alle Menschen einer »Nationalität« (als einer klar definierbaren und begrenzbaren Gruppe) ange- hört hätten bzw. als ob alle Akteuren nur im Rahmen und im Interesse ihres ethnisch-nationalen Clusters gehandelt hätten. 36 Johannes Feichtinger, Zwischen Mittel- und Zentraleuropa. Oder: Vom politisch überformten Raum zum heuristischen Konzept, in: Jacques Lajarrige  u. a. (Hg.), »Mitteleuropa«. Geschichte eines transnationalen Diskurses im 20.  Jahrhundert, Dresden 2011, Bd.  1, S.  53–73, hier S.  66ff. 37 Zum Unterschied zwischen Multi- und Plurikulturalität siehe: Ebd., S.  68f. 38 Appiah, The Lies that Bind, S.  97.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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