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81Katholizismus
und Nation
gierte sich zwar für die altslawische Liturgiesprache,123 aber er prangerte
»die förmliche Anarchie« im Bereich der Liturgiesprache an:124 Darunter
verstand er die Lage, wenn die Liturgiesprache nicht im Einverständnis mit
den päpstlichen Vorschriften festgelegt wurde. Er war dagegen, dass Bischöfe
oder Pfarrer in der Region nach eigenem Gutdünken entschieden, welche
Liturgiesprache vor Ort einzuführen sei.125 In seinen Augen war die altslawi-
sche Liturgiesprache vordergründig kein nationalpolitisches Mittel, sondern
sie sollte die »römische« Treue der katholischen, südslawischen Bevölkerung
verstärken.126 Als Bischof unterstützte er zwar die südslawische Emanzipa-
tion – aber er lehnte jegliche Unordnung ab, die den kirchlichen Interessen
hätte schaden können. Volkssprachliche Gottesdienste, die einige kroatisch-
nationalistische Agitatoren in seinem Bistum forderten, untersagte er des-
wegen.127 1900 gründete er ein neues Institut in Veglia / Krk, dem die Pflege
der altslawischen Sprache aufgetragen wurde. Im September 1900 führte die
bischöfliche Synode in allen Kirchen des kleinen Bistums von Veglia / Krk
die altslawische Liturgiesprache ein. Nur einigen Gemeinden, die mehrheit-
lich italienischsprachig und stark urban geprägt waren wie etwa Lussinpic-
colo / Mali Lošinj oder Ossero / Osor, wurde die Ausnahme zugesichert, wei-
terhin lateinische Gottesdienste abzuhalten.128
Eine dezidiert ablehnende Meinung gegen die altslawische Liturgiesprache
kam aus Budapest. Die ungarische Regierung wurde von der italienischspra-
chigen, nationalliberalen, städtischen Elite des Küstenlandes bestärkt, die
eine südslawische Dominanz innerhalb der katholischen Kirche – und eine
damit einhergehende soziale Emanzipation südslawischer Bevölkerungs-
123 Zum Engagement von Mahnič für die altslawische Sprache siehe u. a. Anton
Bozanić, Biskup Antun Mahnič i hrvatski katolički pokret – inicijative i ostva-
renja u javnom životu [Bischof Antun Mahnič und die kroatische katholische Bewe-
gung – Initiative und Verwirklichung im öffentlichen Leben], in: Riječki teološki
časopis 18 (2010), S. 511–532, hier S. 512f.
124 Brief von Mahnič an die Triestiner Statthalterei über die Zustände in seinem Bistum
(1. Oktober 1897), in: AST, Luogotenenza, AP, b. 256, fasc. 4.1.5., 1897 / 2421.
125 Bischof Mahnič stellte die kirchlichen Interessen über die »nationalen«, vgl. Aleš
Maver, Die Rolle des Klerus im nationalen Emanzipationsprozess der Slowenen,
in: Jakir / Trogrlić (Hg.), Klerus und Nation in Südosteuropa, S.
49–58, hier S.
54.
126 Später öffnete sich aber Bischof Mahnič der jugoslawischen Idee; vgl. Jan
Dutoit / Boris Previšić, Stammesdenken und internationale Solidarität. Bradstvo
im Ersten und Zweiten Jugoslawien, in: Tanja Zimmermann (Hg.), Brüderlich-
keit und Bruderzwist. Mediale Inszenierung des Aufbaus und des Niedergangs
politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa, Göttingen 2014, S. 73–98,
hier S. 78.
127 Brief von Bischof Mahnič (7. Mai 1898), in: AST, Luogotenenza, AP, b. 212,
fasc. 4.5.2., 1898 / 1098.
128 Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Lussin / Lošinj über die bischöfliche
Synode (12. September 1901), in: AST, Luogotenenza, AP, b. 244, fasc. 4.1.5.,
1901/2078.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303