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99Konflikte
um die Nationalisierung
also eine Forderung der kroatisch-nationalistischen Kreise, in seinem Bis-
tum entschieden bekämpfte.50 Er galt als Verfechter des lateinischen Cha-
rakters der lokalen Kirche.51 Auch Don Angelo Palaoro, der als Missionar
aus Visignano / Višnjan beim bischöflichen Empfang in Visinada / Vižinada
mitgeholfen hatte, war italienischer Abstammung. Einige Jahre zuvor war
er aus dem italienischsprachigen Teil von Tirol nach Istrien gekommen. In
Istrien kritisierte er die altslawischen Tendenzen in der katholischen Kir-
che.52 Insofern wären Anfeindungen gegen Bischof Flapp oder Don Palaoro
eher von den kroatischsprachigen Kirchgängern zu erwarten gewesen. Der
Magistrat und einige italienischsprachige Bewohner von Visinada / Vižinada
nahmen diese Geistlichen dennoch als »kroatisch« wahr. »Kroatisch« bedeu-
tete in diesem Falle nicht (nur) eine nationale Zuschreibung – die im Falle
von Monsignore Flapp und Don Palaoro nicht einmal objektiv stimmte –,
sondern vielmehr stand es für »klerikal«. Die Kirche galt in der national-
liberalen, italienischsprachigen Öffentlichkeit Istriens als ein »kroatischer«
Raum. Diese nationale Markierung ermöglichte gleichzeitig eine nationale
Kaschierung antiklerikaler Positionen.
Beim bischöflichen Besuch in Visinada / Vižinada zeigte sich die antikle-
rikale Ausrichtung der angeblich nur »antikroatischen« Protestaktionen.
Der Magistrat nahm etwa die Ortsflagge vom Rathaus bei der Ankunft des
Bischofes ab – als Zeichen dafür, dass er in Visinada / Vižinada kein will-
kommener Gast war. Auf die Nachfrage will der Magistrat nur wegen des
andauernden Regens die Flagge eingezogen haben. Die ganze Nacht vor dem
Besuch regnete es tatsächlich, aber der Magistrat holte die Flagge erst am
Vormittag, also während des Besuches des Bischofs, ein, als das Wetter viel
besser geworden war. Don Palaoro berichtete außerdem darüber, dass eine
gelb-weiße päpstliche Fahne, die er zur Begrüßung des Bischofs ausgehängt
hatte, in der Nacht vor dem Besuch entfernt worden sei. Ein solcher Akt lässt
sich nicht mit innerkatholischen, vermeintlich national motivierten Span-
nungen erklären – er richtete sich nicht bloß gegen Katholiken anderer Mut-
tersprache, sondern auch gegen die ganze Kirche und ihre Repräsentanten
wie den örtlichen Pfarrer, den Bischof und letztendlich die päpstliche Macht.
Die Wiener christlich-soziale Tageszeitung Reichspost nahm die Ereignisse
in Visinada / Vižinada dementsprechend – entgegen dem Haupttenor der
anderen Zeitungen – nicht als nationalistischen, sondern als antikirchlichen
50 Zu Flapps Position bezüglich der altslawischen Liturgiesprache siehe Gottsmann,
Rom und die nationalen Katholizismen, S. 72f.
51 Blasina, Die Kirche und die nationale Frage, S. 184ff.
52 Milanović, Hrvatski narodni preporod u Istri, S. 330.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303