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124 Österreichisches Küstenland
Der Triestiner Bischof, der auf Glavina folgte, Andrej Marija Šterk,
– der sich
in einem Hirtenbrief als »weder italienischer noch slawischer noch deutscher,
sondern ausschließlich katholischer Bischof« bezeichnete159 – beklagte 1898
in seinem Brief an den Wiener Nuntius, Emidio Taliani, dass einige Priester
leider nicht mehr Gott, sondern die Nation anhimmeln würden: »Ihr Gott
ist die Nation.«160 Eine solche nationale Positionierung schadete der katholi-
schen Kirche. Nicht zufällig gerieten nationalistisch eingestellte Priester, wie
in den einzelnen Fallbeispielen zu sehen war, mit der kirchlichen Obrigkeit
und ihren jeweiligen Bischöfen, egal welcher Nationalität sie angehörten,
in Konflikt.
Die nationalistischen Tendenzen verurteilte auch der Bischof von Veg-
lia / Krk, Antun Mahnič, in alle Richtungen, egal ob »in Nerezine [Neresine]
die sog. »italienische« Partei« oder »in Veglia [Krk] oder Lussinpiccolo [Mali
Lošinj] die kroatische Partei« dahinter stünden.161 Er wusste, dass diese
Parteien nicht mit der ethnisch-sprachlichen Zugehörigkeit gleichzusetzen
waren: Sie waren nationalistische Parteien, deren Ziele notwendigerweise
jenen der kirchlichen Obrigkeit entgegenliefen. Die kirchliche Obrigkeit
wollte den nationalistischen Akteuren, auch wenn sie Priester waren, den
kirchlichen Raum nicht überlassen. Bischof Mahnič machte in diesem Sinne
den Wiener Nuntius Emidio Taliani, der den bischöflichen Erzählungen
bezüglich der innerkirchlichen Konflikte keinen Glauben schenkte, darauf
aufmerksam, dass die katholische Kirche vor Ort von allen nationalistischen
Seiten, von »italienischen« wie auch »südslawischen«, herausgefordert und
bekämpft werde: »Mons Flapp, der Bischof von Pola [Pula] und Parenzo
[Poreč] ist von den Slawen gehasst, der Bischof von Triest [Mons. Šterk] ist
von den Italienern gehasst und verfolgt…«162 Bischof Mahnič verstand sich
und die Kirche infolgedessen nicht als »Täter«, sondern vielmehr als »Opfer«
der »Nationalitätenkonflikte«. In diesem Sinne verurteilte der Triestiner
Bischof Franz Xaver Nagl im Februar 1903 mit einem Hirtenbrief an die
Gläubigen den exklusiven (Sprach-)Nationalismus, der auch innerhalb der
Kirche, unter einigen Priester und Kirchgängern, anzutreffen war:
159 Hirtenbrief vom Bischof Šterk (8. April 1898), in: AAV, ANV, b. 692, fasc. 7 (XIII),
fol. 199f. [übersetzt aus dem Italienischen von mir].
160 Brief vom Bischof Šterk an Taliani (4. April 1898), in: Ebd., fol. 181ff. [übersetzt aus
dem Italienischen von mir].
161 Bischof Mahnič an den Statthalter (28.
September 1899), in: AST, Luogotenenza, AP,
b. 223, fasc. 4.1.5., 1899/2404.
162 Brief vom Bischof Mahnič an den Wiener Nuntius Taliani (23.
März 1899), in: AAV,
ANV, b. 693, fasc. 7, fol. 373.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303