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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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153Kirchenstreit im ländlichen Hinterland Ich bin daher der Ansicht, dass durch die Ernennung beziehungsweise Anstellung eines eigenen Pfarrers, welcher es verstehen würde in liebenswürdiger, geduldiger und zugleich konzilianter Weise auf die erregten Gemüter einzuwirken, die Ortsbewohner von Ricmanje doch eines Besseren belehrt werden könnten und vielleicht wieder in den Schoss der römisch-katholischen Kirche zurückkehren würden.286 Ricmanje wurde inzwischen zu einem religiös / kirchlich neu besetzbaren Raum. Da über den Kirchenstreit in der ganzen Donaumonarchie berich- tet wurde, kamen mehrere Agitatoren nach Ricmanje, die das Dorf für protestantische, altkatholische oder orthodoxe Ideen gewinnen wollten. Im Sommer 1905 besuchte etwa der böhmische, protestantische Theologe Anton Chráska, der seit einiger Zeit in Ljubljana / Laibach lebte, das Dorf, um die Bewohner zum Übertritt in eine protestantische Kirche zu überzeu- gen.287 Einige Dorfbewohner trafen sich in Triest im Café Balkan mit einem Gesandten der Prager altkatholischen Gemeinde. 91 Familienväter seien in Ricmanje angeblich bereit gewesen, eine altkatholische Gemeinde  – unter der Obhut der Prager Gemeinde  – zu gründen.288 Nicht nur religiöse Agi- tatoren entdeckten die Möglichkeit, Ricmanje für ihre Ideen zu gewinnen. Auch antiklerikal-atheistische Kreise wollten den Widerstand für ihre Ziele fruchtbar machen  – sie dachten, dass Ricmanje im Kontext des Kulturkamp- fes gegen die katholische Kirche verortet werden könne. Ein gewisser Emil Frauer wollte im Dorf sogar »ein Zentrum einer antikatholischen Bewe- gung« ins Leben rufen.289 Die Dorfbewohner schienen nicht nur den Katho- lizismus, sondern allmählich auch die Religiosität abzulehnen. 1906 melde- ten sich mehrere von ihnen als konfessionslos an,290 womit der Kirchenstreit einen neuen Höhepunkt (oder Tiefpunkt) erreichte. Die Forderung nach einer Pfarrei entwickelte sich immer mehr zu einem Kampf gegen jegliche Abhängigkeiten. Die Dorfgemeinschaft war aber an radikal-säkularen oder freidenkerischen Tendenzen nicht interessiert. Die Abkehr von der Kirche war eine Reaktion und keineswegs das ursprüngliche und eigentliche Haupt- ziel des dörflichen Widerstandes. Die Dorfbewohner unterschieden insofern zwischen der Amtskirche und dem römisch-katholischen Glauben  – dem letzteren wollten sie, solange es möglich war, treu bleiben. 286 Ebd. 287 Bericht des Landes-Gendarmerie-Commando von Boljunec (13.  Juli 1905), in: AST, C.d. Capodistria, Culto, b.  170, fol.  1249; sowie Bericht des Landes-Gandermarie- Commando von Boljunec (15.  Juli 1905), in: Ebd., fol.  1247. 288 Bericht des Triestiner Polizei-Präsidiums (30.  Dezember 1905), in: Ebd., fol.  1263. 289 Bericht der Triestiner Polizei-Direktion (30.  März 1906), in: Ebd., fol.  47. 290 Anmeldungen in: Ebd., fol.  232, 243, 251–356, 374, 382ff., 406, 461ff.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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