Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Seite - 154 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 154 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Bild der Seite - 154 -

Bild der Seite - 154 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Text der Seite - 154 -

154 Österreichisches Küstenland Im Herbst 1906 erhielt das Dorf einen neuen Priester, der sogar bereit war, aus Triest in das Dorf umzuziehen. Er hieß Jakob Ukmar. Don Ukmar war ein slowenischsprachiger Priester aus Triest, der mit seinen klerikalen, christlich-sozialen, austro-loyalen Ideen den politischen und kirchlichen Zielen von Bischof Nagl sehr nahestand.291 Die slowenischsprachige, liberale Tageszeitung Slovenski Narod nannte ihn deswegen kritisch den »erste[n] Klerikaler von Triest und Umgebung«.292 Sowohl Bischof Nagl als auch Don Ukmar unterstützten einen Katholizismus, der fähig wäre, sich jenseits der nationalistischen Polarisierungen als eigenständige, supranationale, proös- terreichische, soziale Kraft zu behaupten. In der Kirchenpolitik forderten sie daher klerikale Rom-Treue, also eine ultramontane Einstellung, ein. In der Innenpolitik verpflichteten sie sich der Idee eines supranationalen und katholischen Österreichs, in dem nationale und religiöse Identität sowie imperiale Loyalität einander ergänzen und stärken und nicht ausschließen. Don Ukmar wusste, dass die Nationalisierung des Kirchenlebens  – wie der Fall in Ricmanje zeigte  – die Positionen der römisch-katholischen Kirche letztendlich untergraben würde. Seine Aufgabe als neuer Pfarrer in Ric- manje bestand dementsprechend darin, die aufgewühlte Dorfgemeinschaft zu beruhigen und in die römisch-katholische Kirche »zurückzuholen«. Als slowenischsprachiger und junger Priester, der in die lokalen Verhältnisse nicht verwickelt war, schien er für diese Aufgabe besser aufgestellt zu sein als ältere Geistliche aus der Umgebung. Don Ukmar trat seine Stelle im  November 1906 an. Obwohl er von Anfang an im Dorf skeptisch beäugt wurde, reagierte er entweder mit uner- warteter Freundlichkeit oder gar nicht auf die Provokationen und Schika- nen, denen seine Vorgänger ausgesetzt gewesen waren. An seinem ersten Tag Ende  November 1906 wurde er vom Dorfvorsteher Ivan Berdon in Ricmanje empfangen. Berdon entschuldigte sich zwar für die schlimmen Zustände der Pfarrerwohnung: »[D]aran ist der verfluchte deutsche Bischof [Nagl] schuld«.293 Er stellte aber sofort klar, dass er gegen die Idee sei, in Ricmanje einen römisch-katholischen Priester zu haben: »Wir brauchen keinen Pries- ter und können ganz ruhig auch so leben und sterben. Schauts diese nicht getauften erwachsenen Kinder. Ich lasse ihn nimmer taufen. So lange ich ein Vater bin, geht er mir nicht in die Kirche…«294 Einige Frauen, die dem Dorf- vorsteher zugehört hatten, taten kund, dass ihnen die Lage von Don Ukmar 291 Edinost, 25.  November 1906. 292 Slovenski Narod, 18.  Dezember 1906 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir]. 293 Zitiert auf Deutsch im Brief von Don Ukmar an Bischof Nagl (25.  November 1906), in: ADT, GP, 1906/82 (Don Ukmar fügt in seinem Brief an Bischof Nagl hinzu: »Hier ging ein ganzes Gewitter auf Ihre Exzellenz los  …«). 294 Ebd.
zurück zum  Buch Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Umkämpfte Kirche