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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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157Kirchenstreit im ländlichen Hinterland 1907 Bischof Nagl darum, ihn nicht aus Ricmanje zu entfernen.310 Ihm gefiel die Herausforderung, ein feindseliges Dorf zu bekehren. Zu Ostern war die Stimmung im Dorf jedoch so aufgewühlt und feindselig, dass die liberale Zeitung Slovenski Narod sarkastisch bemerkte: »Wir wissen nicht, ob Chris- tus in Ricmanje auferstanden ist, oder nicht.«311 Kurz danach, Ende  April 1907, wechselte Don Ukmar in die Triestiner Innenstadt-Kirche Sant’ Anto- nio vecchio / Sv. Anton stari.312 Offiziell blieb er zwar weiterhin Kaplan von Ricmanje,313 aber Bischof Nagl wollte ihn nicht mehr dem dortigen feindseli- gen Zustand aussetzen. Als er das Dorf verließ, sagte ihm der Dorfvorsteher Ivan Berdon, dass »die Menschen Sie nicht so behandelten, wie es sich mit einem Priester gehört«. Berdon habe sich nicht wohl mit der Lage gefühlt, die »leider so« sei.314 Nach Don Ukmar blieb das Dorf ohne Priester. Der böhmische Vorsit- zende des Prager Freidenkerkongresses, Karl Palent, lobte daraufhin Ric- manje als »Mustergemeinde«, »welche bei uns den Mut hatte, mit Rom abzurechnen und welche praktisch die Trennung von Staat und Kirche durchgeführt hat«.315 Plötzlich wurde der Konflikt nicht (nur) im Kontext des »Nationalitätenkonfliktes«, sondern in jenem des »Kulturkampfes« gesehen. Die Wiener Neue Freie Presse bezeichnete das bäuerliche Ricmanje als »Freidenkergemeinde«.316 Das slowenischsprachige, klerikale Blatt Slo- venec warf hingegen den slowenischen nationalistischen Kreisen in Triest vor, Lügen im Dorf zu verbreiten, wo die Bewohner deswegen »ohne Pries- ter, ohne Taufe, ohne Gesetz, ohne den letzten Trost als völlig heidnische Gemeinde« leben würden.317 Im Dorf führte der Widerstand zu einer Situation, welche das lokale Leben und die menschlichen Beziehungen, etwa zu den anderen slowenischsprachi- gen Gemeinden, immer mehr belastete. Das Dorf entfremdete sich nicht nur vom Bistum und der katholischen Religion, sondern auch von seiner slowe- nischsprachigen Umgebung. Ein konfessionsloses Dorf mag einigen antikle- rikalen Zeitungen beispielhaft vorgekommen sein, aber die Katholiken der Umgebung, die alle slowenischsprachig waren, reagierten mit Unverständnis und Empörung auf die Ereignisse in Ricmanje. Daher schaltete sich der kroa- tischsprachige Reichsratsabgeordnete aus Wien, Matija Laginja, in die Affäre ein: In seinem Brief an das österreichische Kultusministerium forderte er 310 Brief von Don Ukmar an Bischof Nagl (5.  März 1907), in: ADT, GP, 1907/14. 311 Slovenski Narod, 20.  April 1907 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir]. 312 Slovenec, 23.  April 1907. 313 Simčič, Jakob Ukmar, S.  52. 314 Eintrag am 29.  April 1907 im Annales, in: ŽAR [übersetzt aus dem Slowenischen von mir]. 315 Zitiert in Neue Freie Presse, 28.  August 1907. 316 Ebd. 317 Slovenec, 23.  September 1907 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir].
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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