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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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162 Österreichisches Küstenland schen Korrespondenzen zwischen Wien und dem Hl.  Stuhl zu lesen. Mit den weniger als tausend Einwohnern, von denen viele die Abhängigkeit von einer anderen Pfarrei und die Zahlungen an den dortigen Pfarrer nicht mehr hat- ten erdulden wollen und daher ihren Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärten, beschäftigte sich also auch die »hohe Politik«. Weil sich das Dorf in der Nähe des nationalpolitisch umkämpften Triest befand, geriet der lokale Wunsch, sich gegenüber der örtlichen, ebenso slowenischspra- chigen Pfarrei behaupten zu können, in einen nationalpolitischen Kontext. Ricmanje wurde dadurch zu einem Inbegriff des nationalen Widerstandes. Immer wieder wurde das Dorf in diesem Sinne als drohende Gefahr herauf- beschwört. Ein Beispiel dafür: Nachdem Papst Pius X Ende  Dezember 1906 mit einem Dekret die früheren Zugeständnisse an die altslawische Liturgie- sprache praktisch im ganzen oberadriatischen Raum beseitigt hatte, formu- lierte ein Brief, der Anfang 1907 aus der dalmatinischen Landeshauptstadt Zara / Zadar das österreichische Außenministerium erreichte, die folgende Drohung: »[Dieses Attentat auf unser Heiligthum] könnte, wie ich befürchte, schwere Folgen für Rom und Wien haben. Es könnte ganz Dalmatien in Ric- manje verwandeln.«339 Ein einfacher Hinweis auf den Dorfnamen genügte, den makrogeschichtlichen Kontext der »Nationalitätenfrage«, besonders bezüglich der katholischen Kirche, zu aktivieren. Ricmanje und seine Geschichte lassen sich aber nicht aus einem einzigen, sogar entkontextualisierten Konfliktmoment wie etwa der Forderung nach muttersprachlichen Gottesdiensten verstehen. Wie sich die Dorfbewohner verorteten, kann nicht anhand äußerlicher Zuschreibungen beantwortet wer- den  – sondern nur aus der Komplexität verschiedener Momente, in denen der Wille, sich zu behaupten, zum Ausdruck kam. Dieser Wille formulierte sich nicht entlang dem nationalen Gegensatz zwischen »Slowenen« und »Italie- nern«. Einerseits war die lokale Forderung nach muttersprachlichen Messen eher pragmatisch motiviert: Nicht eine »nationale« »Zugehörigkeit«, sondern die territorial-lokale Selbstverortung drückte sich darin aus. Die Loslösung von einer anderen slowenischsprachigen Pfarrei sowie der Wunsch, die katholischen Messen statt in einer toten Sprache (wie der lateinischen) in der eigenen slowenischen Muttersprache beten und singen zu können, waren keineswegs nationalistisch motivierte Forderungen. Im ländlichen Kampf um die Sprache fehlte andererseits der konkrete »nationale« Gegner. Es ist der zweite Grund, warum Ricmanje nicht als Teil des »Nationalitätenkonfliktes« zu betrachten ist. Die Frontlinien bezüglich und innerhalb des Kirchenstreites in Ricmanje verliefen nicht zwischen den 339 Brief aus Zara / Zadar (24.  Februar 1907) [ohne Hinweis auf Autor], in: ÖStA, HHStA, PA XI 261, Slawische Liturgie V/7, fol.  43 [übersetzt in deutscher Sprache vom Außenministerium].
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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