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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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169Fazit Vereinnahmung einer Gesellschaft instrumentalisiert werden. Wem gehört der kirchliche Raum? Welche Sprache ist in der Kirche zu verwenden? Durch solche Fragen ließ sich die Kirche  – sowohl ideell (in Bezug auf den Katholi- zismus), als auch materiell (in Bezug auf den konkreten kirchlichen Raum)  – beanspruchen. Um die Kirche als Raum, die Sprache als Gegenstand oder den Priester als Funktion konkurrierten die Akteure in den Kirchengemein- den (Kapitel  3.1). Sie benutzten dabei  – wie gezeigt  – oft das nationale Voka- bular, auch wenn der Konkurrenzkampf nicht (nur) national, sondern viel- mehr sozial bedingt war. Ein Konkurrenzkampf beinhaltet stets gleichzeitig proaktive und reaktive Elemente: Die eine Seite beschützt ihre bisherige Situation, die andere Seite fordert diese Situation aktiv heraus. In einer Kir- chengemeinde, in der die südslawische Bevölkerung sozial benachteiligt und marginalisiert war und jahrzehntelang jeden Sonntag die lateinischen Got- tesdienste nicht oder kaum verstehen konnte, prallten proaktive Ansprüche dieser Bevölkerung auf die reaktiven Ansprüche der italienischsprachigen Bevölkerung, die die »Slawisierung« des Kirchenlebens  – sprich: die Öffnung der Kirche gegenüber den marginalisierten südslawischen Bevölkerungstei- len  – aufhalten wollte. In Ricmanje, wo keine ethnisch-sprachlichen Differenzen vorlagen, zeigte sich eindeutig, dass der Konkurrenzkampf um den kirchlichen Raum weder ethnisch-national noch horizontal geprägt war (Kapitel  3.2). Die Dorfge- meinschaft wollte sich proaktiv innerhalb der bestehenden vertikalen Struk- turen behaupten, und dabei geriet sie mit ihren Priestern und dem Bistum in  Konflikt. Nur in seltenen Fällen wurden aber solche Interessenskonflikte und Gewaltakte jenseits der nationalisierenden Verortungen wahrgenommen. So ein Fall war etwa der Angriff auf den Priester in Corridico / Kringa. Als im  Juni 1906 im fast ausschließlich kroatisch bewohnten,359 mittel-istriani- schen Dorf das Pfarrhaus nächtlich  – wie es im Polizeibericht stand  – »mit Steinen förmlich bombardiert« wurde, konnte die Polizei den Akt mit nichts anderem als der »Natur« des Volkes erklären, die »wild und gewaltsüch- tig« sei.360 So einfach war es aber nicht. Der dortige Konflikt zwischen dem Pfarrer und der Kirchengemeinde bestand vor allem in den divergierenden Moralvorstellungen: Der Pfarrer lehnte viele Gewohnheiten des kleinen Mikrokosmos ab (er bezeichnete die Bewohner öfter in seinen Predigten als 359 Im Jahre 1900 gaben 1.201 von den 1.205 Einwohnern das Kroatische als ihre Umgangssprache an; Daten aus: Gemeindelexikon der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, S.  68. 360 Vorfallens-Bericht der Bezirkshauptmannschaft Pisino / Pazin (16.  Juni 1906), in: AST, Luogotenenza, AP, b.  305, fasc.  11b, 1906/5261.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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