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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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184 Ungarisch-Kroatisches Küstenland bewohner versammelten sich drinnen, Don Modrčin konnte von draußen nur dabei zusehen, wie sie die Kirche zusperrten. Ein Dorfbewohner nahm den Kirchenschlüssel an sich. Don Modrčin versprach den Bewohnern ver- zweifelt, die Messe »nach altem Gebrauch« (das heißt volkssprachlich-latei- nisch) zu lesen, aber er bekam den Schlüssel nicht zurück, insofern blieb das Dorf am Fest des Fronleichnams ohne Gottesdienst.45 Die katholische Bevölkerung war überzeugt, dass die altslawische Liturgiesprache nur der erste Schritt zum erzwungenen Übertritt in die orthodoxe Religion sei. Die serbischsprachige, orthodoxe Bevölkerung machte sich deswegen sogar über die kroatischsprachigen Katholiken lustig. Gerüchte spielten in den bäuerlichen Aufständen und Krawallen vielerorts in Kroatien eine wichtige Rolle; sie verliehen den Ereignissen eine gewisse Eigendynamik.46 Ein solches Gerücht in der Gegend war, dass einige katho- lische Priester  – um heiraten und Bart tragen (!) zu können  – mit ihren Kirchengemeinden in die Orthodoxie übertreten würden. Einige Dorfbe- wohner glaubten dabei zu wissen, dass der russische Zar höchstpersönlich die lokalen katholischen Priester bestochen hätte, damit sie dem Volk den orthodoxen Glauben aufzwangen.47 In den späteren Prozessen sagten die angeklagten Frauen aus Kriviput vor dem Gerichtshof aus: Sie hätten in der Tat Angst davor gehabt, dass der Pfarrer Don Modrčin heimlich das Bild der Hl.  Maria in der Kirche durch eine orthodoxe Ikone ersetzen würde.48 Kriviput war bekannt für seinen Kult um die Hl.  Maria: Ihr Bild und ihre Statue erfreuen sich bis heute einer großen Verehrung in der Region.49 Damit erklärt sich, warum die Dorfbewohner in Kriviput die Kirche sofort zusperr- ten, als sie von der Einführung der altslawischen Liturgiesprache erfuhren. Sie dachten, dass eine drohende Orthodoxisierung nicht nur die Liturgie- sprache, sondern auch die materielle Einrichtung der Kirche (samt Gemäl- den, Statuen usw.) beträfe. Don Modrčin besaß keinen anderen Schlüssel, daher konnte er die Kirche nicht mehr betreten.50 Nachdem aber bewaffnete Gendarmen in Kriviput angekommen waren, nahmen sie zwei Männer fest, die den Schlüssel bei sich 45 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj über die Mitteilung des Pfarrers von Kriviput (25.  Mai 1894), in: HDA, ZV, Pr., kut.  487, 1962/1894, broj 2818. 46 Petrungaro, Pietre e fucili, S.  88. 47 Bericht der Gespanschaftsverwaltung (županski oblast) von Lika-Krbava (29.  Mai 1894), in: HDA, ZV, Pr., kut.  487, 1962/1894, broj 6589 (solche Gerüchte kursierten auch im österreichischen Ricmanje während des dortigen Kirchenstreites zwischen 1900 und 1910; siehe Kapitel  3.2). 48 Über den Prozess wurde berichtet  u. a. in: Agramer Zeitung, 18.  Mai 1895. 49 Vgl. Marija Kulišić / Ivana Vuković, Majka Božja Snježna u pučkoj pobožnosti na področju Krivoga Puta [Die Verehrung der Schnee Gottesmutter in der Volksfröm- migkeit auf dem Gebiet von Krivi Put], in: Senjski Zbornik 31 (2004), S.  239–260. 50 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj über die Mitteilung des Pfarrers von Kriviput (25.  Mai 1894), in: HDA, ZV, Pr., kut.  487, 1962/1894, broj 2818.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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