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189Konflikte
im Bistum Senj
zu lesen.76 In Perušić schaltete sich die Polizei sofort ein und verhinderte
die gewalttätige Eskalation des Konfliktes. Wegen der Unruhen in Kriviput
im Mai 1894 waren die Gendarmen auf mögliche weitere gewalttätige Vor-
fälle in der Region vorbereitet. Mehrere Menschen wurden vor Ort sofort
festgenommen. Die aus den anderen Ortschaften eingetroffenen Gendar-
men bewachten den ganzen Tag das Pfarrhaus, um die Sicherheit von Don
Kovačić und seinen Gästen im aufgewühlten Dorf zu garantieren. Der poli-
zeiliche Einsatz stellte aber eine ähnlich externe Einmischung in das Leben
der Dorfbewohner dar wie die kirchliche Entscheidung bezüglich der altsla-
wischen Liturgiesprache: Zuerst wollte das Bistum ihnen eine nicht gewollte
Änderung der Liturgiesprache aufzwingen, und als sie dagegen protestierten,
wurde ihr Dorf vom Staat polizeilich besetzt. In einer Region, wo die zivile
Verwaltung erst seit wenigen Jahren (seit 1881) aufgebaut wurde, war der
nötige Respekt gegenüber den staatlichen Organen nicht immer vorhanden.
Am 18. August 1894 marschierten 400–500 Menschen aus Perušić nach
Gospić, dem Gespanschaftssitz von Lika-Krbava, um für die Freilassung der
festgenommenen Personen zu demonstrieren.77 Im Dorf ereigneten sich dar-
aufhin spektakuläre Brandfälle. Das Feuer flammte auch andernorts sowohl
als Gewaltakt als auch als reinigendes Symbol in den bäuerlichen Aufständen
Kroatiens und Slawoniens auf.78 Nach den ersten Unruhen in Perušić wurde
zuerst das Haus des örtlichen Försters, eines gewissen Murgić, in der Nacht
vom 16. auf den 17. August in Brand gesetzt. Das Forstwesen war ein stritti-
ges Thema in der ehemaligen Militärgrenze: Während die Bauern früher das
Recht gehabt hatten, die umliegenden Wälder (land)wirtschaftlich zu nutzen,
wurde ihnen dieses Privileg nach der Eingliederung der Gebiete in Kroatien
immer mehr weggenommen. Besonders die ungarische Zentralregierung zog
die Kontrolle über das Forstwesen an sich, weil sie die Holzindustrie für die
neuen, staatlichen Projekte wie die Bahn brauchte.79 Insofern galt auch ein
Förster im Dorf »ungarisch« gebrandmarkt. Er war nicht der Einzige, der
im Visier einiger Dorfbewohner stand. Nach seinem Haus brannte etwa der
Stall des Bürgermeisters Ivan Sokolić komplett aus. In der Nacht vor dem
ungarischen Nationalfeiertag, dem 20. August, zündeten Dorfbewohner die
76 Bericht des Bezirksvorstehers in Perušič (18. August 1894), in: Ebd., broj 42/pres.,
fol. 8.
77 Bericht des Sekretärs des Großgespans von Lika-Krbava (19. August 1894), in: Ebd.,
broj 42/pres., fol. 8f.
78 Zur Rolle des Feuers bei den kroatischen Bauernaufständen vgl. Stefano Petrun-
garo, Fire and Honor. On the Comparability of Popular Protests in Late 19th
Century
Croatia-Slavonia, in: Sabine Rutar (Hg.), Beyond the Balkans. Towards an Inclusive
History of Southeastern Europe, Münster 2013, S. 247–263, hier S. 261ff.
79 Horel, Soldaten zwischen nationalen Fronten, S. 84ff.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303