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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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194 Ungarisch-Kroatisches Küstenland angetrunken. Die »schon mit Schnaps übermäßig belustigten« Einwohner brüllten in der Kirche herum, als das »Vaterunser« nicht kroatisch, sondern altslawisch gebetet wurde.104 Die oft gewalttätigen Handlungen ähnelten sich zwar (Sperrung der Kir- che, Wache vor der Kirche, Steinwürfe gegen die Priester, Lärm und Geschrei in der Kirche oder vor dem Pfarrhaus usw.). Sie folgten aber keiner einheit- lichen »Regie«. Die Dorfbewohner traten nicht gemeinsam gegen die kirch- liche oder staatliche Obrigkeit auf, aber sie blieben auch keine isolierten Einzelfälle. Einerseits verbanden die Ängste die Menschen untereinander: Überall verbreiteten sich die gleichen Gerüchte, welche die Ängste vor dem Verlust der katholischen Religion schürten. Andererseits kannten die Dorf- bewohner die Ereignisse aus der gesamten Gegend, und sie reagierten darauf. Sie wussten etwa, dass Don Srdoc, der im  Mai 1894 Kriviput besuchte, in sei- nem Dorf die altslawische Liturgiesprache noch nicht eingeführt hatte. Oder die Bewohner von Klanac: Als sie erfuhren, dass ihr Pfarrer im Nachbarort Perušić die Messe mit dem dortigen Pfarrer Don Kovačić auf Altslawisch lesen wollte, hinderten sie ihn daran, in Klanac die Kirche zu betreten. Auch die Tatsache, dass die Messen in Kaludjerovac, einem Dorf, wo weiterhin kroatischsprachige Messen gelesen wurden, von Kirchgängern aus mehreren anderen Dörfern besucht wurden, zeigt ebenso, wie die Menschen in ihren Ängsten und ihrem reaktiven Widerstand miteinander kommunizierten und aufeinander reagierten. Die Vorfälle ereigneten sich dennoch lokal, punktuell und spontan. Statt als organisierter Aufstand lassen sich die Ereignisse als spontane Widerstandmomente beschreiben, in denen die Gewalt nicht im Interesse jeglicher Änderungen, sondern des Beibehaltens der bestehenden Ordnung angewendet wurde. Diese Abwehr- und Widerstandsmomente ebbten aber in der Region rasch ab, und die Bevölkerung gewöhnte sich an die »neue« Liturgiesprache. Dazu trug auch die staatliche Macht von Kroatien bei:105 Sie sorgte einerseits mit mehreren rasch eingesetzten Gendarmarie-Einheiten vor Ort für die Wie- derherstellung der Ordnung. Andererseits wurden Dutzende Wortführer festgenommen und vor Gericht gestellt. Aus Kriviput wurden 40 Menschen, überwiegend Frauen, wegen öffentlicher Gewalttätigkeit, Ruhestörung, Beleidigung einer gesetzlich anerkannten Kirche und Zusammenrottung angeklagt.106 Die Urteile fielen mild aus: Einige Männer wurden für fünf 104 Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 105 In der inneren Angelegenheit genoss Kroatien-Slawonien innerhalb der ungari- schen Reichshälfte eine gewisse Autonomie, insofern war die Polizei der Landes- regierung in Zagreb unterstellt; vgl. 2.1.2. 106 Es handelt sich um die offiziellen Bezeichnungen der betreffenden Tatbestände, wie sie im ungarischen Strafgesetzbuch, dem sog. Csemeghy-Kódex (Gesetzesartikel 1878-V), benannt wurden.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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