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226 Ungarisch-Kroatisches Küstenland
den bisherigen Kaplan im kroatischen Crkvenica, Ivan Kumbatović, vor.238
Die Stadt lehnte ihn ab, weswegen der ungarische Kultusminister Albert von
Apponyi in seinem Brief an Gouverneur Nákó im Mai 1910 bemerkte, dass
»der Fall der Pfarrei von Drenova wieder giftig zu werden droht«.239 Erst der
neue Bischof konnte Bewegung in den erstarrten Konfliktfall bringen.
Im
Mai 1910 wurde der Bischofssitz
– nach mehr als zweijähriger Vakanz
–
mit Rocco Vučić besetzt.240 Er kannte die Geschichte, weil er parteiisch darin
involviert gewesen war, nachdem er bereits 1907 noch als Vikar in Senj daran
mitgewirkt hatte, Pavel Zigar aus Drenova zu entfernen. Viele im Dorf woll-
ten sich jedoch weiterhin mit keinem anderen Pfarrer als dem abgesetzten
Don Zigar abfinden: 160 Dorfbewohner wandten sich mit einer Petition an
den neuen Bischof von Senj, dass er die Rückkehr von Don Zigar ermögli-
chen möge.241 Bischof Vučić bemerkte aber in seinem Brief an den Stadt-
pfarrer Kukanić, dass er die Unterschriftenaktion der Dorfbewohner »im
Allgemeinen als Forderung nach einem Geistlichen« verstehe.242 Letztend-
lich wurde ein Konkurs für die Administratorenstelle ausgeschrieben. Auch
Pavel Zigar aus Ledenice bewarb sich um den Posten. Ausgewählt wurde aber
ein anderer Priester. Bischof Vučić ernannte im September 1910 den bishe-
rigen Kaplan in Novi, Mate Polić, zum neuen Kirchenadministrator in Dre-
nova. Die zwei weiteren Kandidaten waren für den Posten nicht geeignet: Im
Falle von Don Zigar bestanden »die genannten Gründe« seiner Absetzung
immer noch,243 während der andere Kandidat, Pavao Oršić, der italienischen
Sprache nicht mächtig war.244 Es dauerte bis zum 11. April 1911, bis Mate
Polić seine Stelle in Drenova antreten und die Kirchenschüssel vom Stadtma-
238 Ebd.
239 Brief vom Minister Apponyi an Gouverneur Nákó (7.
Mai 1910), in: DAR, Gubernij,
Pr.Sp., kut. 37, 1910/130 [übersetzt aus dem Ungarischen von mir].
240 Der ungarische Ministerpräsident, Sándor Wekerle, legte im Herbst 1910 dem
österreichisch-ungarischen Außenministerium einen Protestbrief vor, in dem
er sich darüber beschwerte, dass Rocco Vučić ohne vorherige Absprache mit der
ungarischen Regierung und ohne ihre vorherige Einwilligung ernannt worden sei,
wofür er vom Hl. Stuhl eine Entschuldigung und die Feststellung der Einmalig-
keit erwartete; vgl. Brief von Wekerle (20. November 1908), in: MNL OL, ME, FÜ
K26, 1910/457.
241 Unterschriftenliste (eingetroffen am 23. Juli 1910 beim Gouverneur), in: DAR,
Gubernij, Pr.Sp., kut. 37, 1910/223.
242 Brief von Bischof Vučić an Stadtpfarrer Kukanić (21. Juli 1910), in: Ebd. [übersetzt
aus dem Italienischen von mir].
243 Note von Mate Polić (11.
Juni 1911), in: AŽD, Liber Insertionis, fol.
22 [übersetzt aus
dem Kroatischen von mir].
244 Ebd. (Dass die italienische Sprache für die Stelle vorausgesetzt war, kann sowohl als
sprachliche Toleranz der katholischen Kirche als auch eine städtische Anforderung
angesehen werden. Angesichts der Tatsache, dass die Kirchenhierarchie die sprach-
liche Vielfalt andernorts ebenso respektierte – etwa in Triest oder Istrien wurden
alle bischöflichen Hirtenbriefe mehrsprachig verkündet, auch wenn die lokale welt-
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303