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259Ausblick
oder besiegten Erzählungen wieder. Auch die Geschichtswissenschaft wid-
met sich der Habsburgermonarchie und ihrer lokalen Ebene immer stärker
aus der Perspektive des Verlorenen, was in besonderer Weise den multieth-
nischen Raum der adriatischen Teile der ehemaligen Habsburgermonarchie
betrifft
– wie Dominique Reill Kirchner schreibt: »By reintroducing the more
complicated history of Adriatic multi-nationalism into the master narrative
of the nineteenth
century, we can see that where we find ourselves today is as
much a product of what did not happen as what did«.7
Das Gebiet wurde nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg unter mehre-
ren Nationalstaaten aufgeteilt, die sich mit Vertreibungen und Massenmor-
den in ihren jeweiligen Teilen eine gewisse ethnisch-sprachliche Homoge-
nität herzustellen anschickten.8 Die ehemalige Plurikulturalität (oder wie
Dominique Reill Kirchner schreibt: der »adriatische Multikulturalismus«)
wurde weitestgehend verdrängt, sogar ausgerottet9 – wobei die habsburgi-
sche Vergangenheit in der letzten Zeit historiographisch und erinnerungs-
politisch vor Ort immer mehr als eine Zeit friedlichen Zusammenlebens
und sozio-ökonomischer Prosperität dargestellt wird.10 Die supranationale,
imperiale Idee
– die besonders in der österreichischen Reichshälfte aufrecht-
7 Reill Kirchner, Nationalists Who Feared the Nation, S. 243.
8 Zum Überblick der konfliktbeladenen Geschichte der Region siehe u. a. Glenda
Sluga, The Problem of Trieste and the Italo-Yugoslav Border. Difference, Iden-
tity, and Sovereignty in Twentieth-Century Europe, Albany NY 2001; Giampaolo
Valdevit, Trieste. Storia di una periferia insicura [Triest. Geschichte einer unsiche-
ren Peripherie], Milano 2004; Wörsdörfer, Krisenherd Adria; Pamela Ballinger,
History’s »Illegibles«. National Indeterminacy in Istria, in: Austrian History Year-
book
43 (2012), S.
116–137; sowie die Aufsätze aus Borut Klabjan (Hg.), Borderlands
of Memory. Adriatic and Central European Perspectives, Oxford u. a. 2019.
9 Reill Kirchner, Nationalists Who Feared the Nation, S.
241ff.; zu nationalistischen
Raumimaginationen bezüglich des nordöstlichen Adriaraumes siehe Borut Klab-
jan, »Jadran je naš«. Nacionalno prisvajanje Jadranskega morja pred prvo svetovno
vojno in po njej [»Die Adria gehört uns«. Nationale Aneignung der Adria vor und
nach dem Ersten Weltkrieg], in: Annales 21 (2011), S. 43–54.
10 Im Allgemeinen über die posthabsburgischen Nostalgien und grenzüberschreiten-
den Kontinuitäten siehe u. a. Helga Mitterbauer / Carrie Smith-Prei, Introduc-
tion. Crossings and Encounters, in: Dies. (Hg.), Crossing Central Europe. Conti-
nuities and Transformations. 1900 and 2000, Toronto 2017, S. VII–XVIII; über die
erinnerungspolitische Bedienung der imperialen Geschichte des oberadriatischen
Raumes siehe u. a. Emilio Cocco, Borderlands Mimicry. Imperial Legacies, Natio-
nal Stands and Regional Identity in Croatian Istria after the Nineties, in: Narodna
umjetnost 47 (2010), S. 7f.; Johler, »Hibridismus«, S. 5; über den diesbezüglichen
»Mythos Triest« siehe u. a. Pamela Ballinger, Imperial Nostalgia. Mythologizing
Habsburg Trieste, in: Journal of Modern Italian Studies 8 (2003), S. 99; über den
diesbezüglichen »Mythos Fiume« siehe Fried, Fiume, S. 293f., sowie Péter Techet,
Post-habsburgische Erinnerungspolitik als unreflektierte Nostalgie oder als antina-
tionalistisches Gegennarrativ im heutigen Rijeka?, in: Zibaldone – Zeitschrift für
italienische Kultur der Gegenwart 68 (2019), S. 119–131.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303