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wobei auch gesellschaftliche Bedingungen bzw. Entstehungsvoraussetzungen im
Auge behalten werden. Mit dem Begriff „Kapital“ wiederum ist der „Antriebs-
motor“ für die Aktivitäten im literarischen Feld bezeichnet, nämlich der „Kampf
um Einfluss und Macht“,15 wobei für Bourdieu „Macht“ mit dem Begriff „Kapi-
tal“ synonym ist. Bourdieu übernimmt die Kategorie des „Kapitals“, globalisiert
den Begriff und spricht von ökonomischem, kulturellem, sozialem sowie sym-
bolischem Kapital. Letzteres kann in Zusammenhang mit den drei vorhergehen-
den Kapitalsorten als „Prestige“ oder „Renommee“ bezeichnet werden und ist
zentral im Rahmen der feldinternen Kämpfe um die Autorität zu bestimmen,
was der in seiner Bedeutung variierende Begriff „Literatur“ ist.16 Bei den im Feld
stattfindenden „Definitionskämpfen“, was „Literatur“ oder eine „Autorin“ bzw.
ein „Autor“ sei, sind auf ökonomischer Seite eben mit dem Begriff „Kapital“
auch die Vielfalt gesellschaftlicher Ressourcen wie Geld, Besitz, aber auch sym-
bolisches Kapital wie Reputation, Beziehungen und Preise zu berücksichtigen.
Im Falle von Wolfgang Kraus und der ÖGL eignet sich der Begriff des „lite-
rarischen Feldes“ insofern, als dieser es erleichtert, regionale Variationen zu
erfassen, die der räumlichen Reichweite des Feldes nach variabel sind. Die Ein-
heit des „literarischen Feldes“ bemisst sich an den konkret nachweisbaren Macht-
und Einflussbeziehungen, weshalb „lokale, regionale, territoriale, nationale und
übernationale Perspektiven gleichermaßen möglich“17 sind.
Bourdieus Theorie wird für diese Arbeit fruchtbar gemacht, da nicht nur Kraus
selbst im Zentrum der Analyse steht (vgl. Kapitel 1.2, 4, 5), sondern auch die
ÖGL (vgl. Kapitel 3). Diese Herangehensweise erscheint logisch, da Kraus’ Wir-
ken mit der Institution engstens verknüpft war. Durch den Begriff des Feldes, der
es ermöglicht, die Beziehungen der Akteure im literarischen Feld untereinander
als permanente Auseinandersetzungen zu betrachten und, sich von einer Sicht
des interesselosen Austausches derselben zu entfernen, lassen sich Machtrelati-
onen aufzeigen, welche die Internationalisierung der literarischen Produktion,
im Falle dieser Arbeit der österreichischen Literatur nach 1945, bestimmen.18
Aus dem theoretischen Modell Bourdieus ergeben sich in Bezug auf die vor-
liegende Arbeit, die einen wesentlichen Teil der österreichischen Literaturge-
schichte von 1945 und 1990 ergänzt und zum Gegenstand macht, folgende For-
schungsfragen:
15 Bodo Plachta: Literaturbetrieb. Paderborn: W. Fink 2008 (= UTB 2982), S. 14.
16 Vgl. Joseph Jurt: Pierre Bourdieus Theorie des literarischen Feldes. In: Ders.: Das literarische
Feld, S. 71–109.
17 Joch, Wolf: Feldtheorie als Provokation der Literaturwissenschaft, S. 16.
18 Vgl. dazu Joseph Jurt: Text und Kontext. Zur Theorie des literarischen Feldes. In: Herbert Fol-
tinek, Christoph Leitgeb (Hg): Literaturwissenschaft: intermedial – interdisziplinär. Wien:
ÖAW 2002, S. 97–120.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 13
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437