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Einbettung“43 gewährleistet. Mittels des Begriffs „Habitus“ lassen sich eine Rei-
he von sozialen und mentalen Dispositionen sowie Handlungsmuster umschrei-
ben, welche die Akteure in ihrem Sozialisierungsprozess erworben haben und
die ihre Handlungen im „literarischen Feld“ strukturieren.44 Die gesellschaftli-
che und literarische Praxis resultiert dabei stets aus den komplexen Wechselbe-
ziehungen zwischen „Feld“, „Habitus“ und „Kapital“. Um diese Praktiken ana-
lysieren und in einen breiteren gesellschaftlichen Kontext stellen zu können,
müssen die Bedingungen und Kräfte von Produktion sowie Rezeption des lite-
rarischen Schaffens berücksichtigt werden. Nach Plachta lassen sich mit dem
Beschreibungsmodell des „literarischen Feldes“ die „Funktionsweisen des Lite-
raturbetriebs“45 adäquat darstellen.
Kraus soll als Akteur im literarischen Feld betrachtet werden, der „dem spe-
zifischen Charakter seiner Klassenposition [...], dem spezifischen Charakter sei-
ner Lebens- und Arbeitsbedingungen, gebunden an seine Bedingung als Intel-
lektueller“ und dem „spezifischen Charakter der Wahrheitspolitik“46 in der
Zweiten Republik unterworfen war.
Trotz der geäußerten Vorbehalte gegen eine rein biographische Darstellung,
wird an den Anfang eine biographische Einführung gestellt, die einen konzen-
trierten Überblick über seine zahlreichen Aktivitäten gibt und ihm unmittelbar
aus seinen Briefen und Tagebüchern eine Stimme verleiht. Dies ist auch deshalb
nötig, weil die Forschungslage zu Kraus, wie oben dargestellt, bisher als unzu-
reichend zu bezeichnen ist, obwohl etwa Franz Schuh (geb. 1947) bereits in den
1980er Jahren festgestellt hat, dass Kraus „verschiedene spezifisch verteilte Posi-
tionen und Posten inne“ hatte, die „miteinander zusammenhingen und eine Art
von Netz“ gebildet hätten, in dem „vieles sich verfing und das einer eindringli-
chen Interpretation bedürfe, denn dieses Netz enthält geradezu im Laborzustand
ein Paradigma für die österreichische Literatursoziologie“.47
43 Ebd., S. 425.
44 Vgl. Pierre Bourdieu: Zur Genese der Begriffe Habitus und Feld. In: Ders.: Der Tote packt den
Lebenden. Schriften zu Politik und Kultur. Bd. 2. Hg. v. Margareta Steinrücke. Hamburg: VSA
1997, S. 59–78.
45 Plachta: Literaturbetrieb, S. 15.
46 Michel Foucault: Die politische Funktion des Intellektuellen. In: Ders.: Kritik des Regierens.
Schriften zur Politik. Ausgew. u. mit einem Nachwort v. Ulrich Bröckling. Frankfurt/M.: Suhr-
kamp 2010 (= stw 1933), S. 301–307, hier S. 306.
47 Franz Schuh: Literatur und Macht am Beispiel Österreichs der siebziger Jahre. In: Ders.: Liebe,
Macht und Heiterkeit. Essays. Klagenfurt: Ritter 1985, S. 175–202, hier S. 199.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 21
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437