Seite - 33 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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der Reihe „Das österreichische Wort“ im Stiasny-Verlag gab er unter dem Titel
In eigenem Auftrag 1963 eine Auswahl aus den Werken Fritz Habecks heraus.
Die fünfbändige Werkausgabe des Schriftstellers Herbert Zand erschien zwi-
schen 1971 und 1973 im Europa-Verlag.
Seine eigenen Arbeiten umfassen zahlreiche Essaybände, die er als eine „the-
oretische Überkompensation der 5.000 Seiten Journalismus, die ich in den letz-
ten 25 Jahren“91 geschrieben hat, bezeichnet hat. Der wichtigste erschien 1966
unter dem Titel Der fünfte Stand, es folgten u. a. Die stillen Revolutionäre (1970),
Kultur und Macht (1975), Die Wiederkehr des Einzelnen (1980), Nihilismus heu-
te oder die Geduld der Weltgeschichte (1983), Zukunft Europa (1993) und postum
Rettung Kultur. Markierungen zu einem neuen Humanismus (1999). Kraus war
einer der ersten, der sich Mitte der 1960er Jahre, bereits vor den Ereignissen von
1968, dessen bewusst wurde, dass die Rolle des Intellektuellen nicht nur darin
besteht, individuelles Denken und Differenzierungen zu pflegen und dies nicht
nur zu erkennen und auszusprechen, sondern auch dieses Erkennen in die Pra-
xis umzusetzen. Seine Erfahrungen von den Reisen nach Osteuropa und die
Situation der Intellektuellen hinter dem „Eisernen Vorhang“ hat Kraus in Der
fünfte Stand festgehalten. Dem Buch wurde durch seine aktuelle Thematik ein
hohes, auch internationales, Interesse zuteil, unter den Rezensenten befanden
sich u. a. François Bondy und Friedrich Heer.92 Kraus ist es in diesem Essay um
„die Unterschiede in der Funktion und in der Phänomenologie der Kultur in
der freien westlichen und der totalitären osteuropäischen Gesellschaft“93 zu tun.
Als Kulturkritiker war er davon überzeugt, dass die Kultur des „unfreien“ Ostens
dem Westen unterlegen sei, letzterer jedoch von Wertezerfall, Pessimismus und
Nihilismus bedroht gewesen sei. Diese Überlegungen und Konstellation wird
Kraus immer wieder in das Zentrum seiner Essays stellen.
Bereits 1967 bot ihm der ORF-Intendant Gerd Bacher das Fernsehformat
„Jour fixe“ an, das Kraus als Gestalter und Moderator, unterbrochen durch tem-
poräre Absetzungen des Programms, bis 1994 betreute.94 Bacher prägte die Ent-
wicklung des öffentlichen Rundfunks entscheidend und dürfte, z. B. mit seinen
91 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 20. Dezember 1974, NL WK.
92 Vgl. François Bondy: „Der fünfte Stand“. In: Neue Zürcher Zeitung, 11.
November 1966; Fried-
rich Heer: Der fünfte Stand. Aufbruch der Intellektuellen. In: Wiesbadener Kurier, 17.
Dezem-
ber 1966.
93 Paul Kruntorad: Prosa in Österreich seit 1945. In: Hilde Spiel (Hg.): Die zeitgenössische Lite-
ratur Österreichs I. Aktual. Aufl. Frankfurt/M.: Fischer 1980 (= Kindlers Literaturgeschichte
der Gegenwart), S. 135–323, hier S. 275.
94 In der ersten „Jour fixe“-Sendung diskutieren u. a. der Schriftsteller Hans Weigel, der Kompo-
nist Gottfried von Einem und der Theaterwissenschaftler Martin Esslin über das Thema „Öster-
reich – kulturelle Großmacht oder geistige Provinz?“ Vgl. N.
N.: Ein Kultursalon auf dem Bild-
schirm. In: Arbeiter-Zeitung, 10. September 1967, S. 7.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Biographische Einführung 33
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437