Seite - 37 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Bild der Seite - 37 -
Text der Seite - 37 -
zu nehmen. Außenminister Mock hat dann meinen Vorschlag angenommen.‘“109
Bis 1991 entstanden fünf weitere Bibliotheken, in Bratislava, Krakau, Posen,
Marburg und Udine. Es folgten weitere in Szeged, Sofia, Osijek, Sarajevo, Tallin
und Lemberg. Sie fungierten als Begegnungszentren für Autorinnen und Auto-
ren, Buchausstellungs- und Symposienräume, die fortlaufende organisatorische
Betreuung erfolgte durch die ÖGL, das Österreichische Institut für Ost- und
Südosteuropaforschung sowie das Außenministerium.
Zu all diesen kulturpolitischen Ämtern und Funktionen kommt noch Kraus’
Tätigkeit als literarischer Juror, die Erstellung kulturpolitischer Konzepte sowie
die Gründung von Literaturpreisen (vgl. Kapitel 4.3.2) hinzu. Kraus war nicht
nur ein zentraler Akteur im Literaturbetrieb, sondern konnte durch seine zahl-
reichen Funktionen im Hintergrund, gleich einer „grauen Eminenz“, die Fäden
ziehen. Darüber hinaus gründete er Gesellschaften, die sich exklusiv einem Autor
widmeten, wie z. B. die Franz-Kafka-Gesellschaft in Klosterneuburg oder die
Manès-Sperber-Gesellschaft in Wien, die ebenfalls Preise vergaben. Als Juror war
Kraus bei zahlreichen Literaturpreisen jahrzehntelang vertreten, u. a. als Jury-Mit-
glied des Anton-Wildgans-Preises der österreichischen Industrieellenvereinigung,
des Paula-von-Preradović-Preises, des Franz-Kafka-Preises und des Manès-Sper-
ber-Preises. Temporär fungierte er als Mitglied bei staatlichen Literatur- und
Kulturpreisen, wie z. B. dem Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik,
dem Österreichischen Staatspreis für Literatur, dem Österreichischen Staatspreis
für europäische Literatur und 1984 als Juror beim Klagenfurter Ingeborg-Bach-
mann-Wettbewerb. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass auch die
Vergabe der Stipendien für die Förderung von Arbeitsvorhaben österreichischer
Schriftstellerinnen und Schriftsteller jahrelang über Kraus und die ÖGL lief.
Angesichts dieser beachtlichen Anzahl von Positionen im literarischen und
kulturpolitischen Feld verwundert es nicht, dass immer wieder gegen ihn oppo-
niert wurde, zumeist aber ohne allzu große Auswirkungen (vgl. Kapitel 4.4).
Hans Weigel bezeichnete Kraus anlässlich dessen 60.
Geburtstages als eine „Ins-
titution […], [z]entral, die Außenstelle, die Inkarnation – nicht unserer Litera-
tur, sondern unseres literarischen Lebens. Er ist umstritten – no na! – aber er ist
unsagbar wichtig. Er ist unentbehrlich.“110
Die Zusammenarbeit mit den „Mächtigen“ gestaltete sich für Kraus jedoch nicht
immer erfolgreich, sondern war mit persönlichen Rückschlägen und Enttäu-
schungen verbunden (vgl. Kapitel 5.1). Kraus hatte direkten Zugang zu den
Unterrichtsministern der ÖVP, darunter Heinrich Drimmel, aber auch SPÖ-Mi-
109 Gertraud Steiner: Bücher als Botschafter. In: Wiener Zeitung, 5. April 1991.
110 Weigel: Ein Kolumbus namens Kraus. In: Wiener Journal, Nr. 41, Februar 1984.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Biographische Einführung 37
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437