Seite - 58 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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gründete die sowjetische Besatzungsmacht im Wiener Porr-Haus bei der
Staatsoper ein Sowjetisches Informationszentrum (SIZ), das ebenfalls literari-
sche Veranstaltungen mit Lesungen sowohl russischer, als auch österreichischer
kommunistischer Autorinnen und Autoren anbot.
Als Vereinigung von Autorinnen und Autoren unter den „anti-totalitären“
Insignien des Kalten Krieges ist das „Allgemeine Jugendkulturwerk – Gesell-
schaft für die Freiheit der Kultur“ zu nennen, als dessen Präsidenten Milo Dor
und Reinhard Federmann fungierten.58 Die Statuten der Gesellschaft waren an
dem Manifest des „Kongresses für kulturelle Freiheit“ orientiert, der sich 1950
in Berlin mit dem Ziel konstituiert hatte, ein Gegengewicht zu den pro-sowje-
tischen Friedenskongressen zu etablieren. Die „Gesellschaft“, die allerdings nicht
von ihrer großen Schwester finanziell unterstützt wurde59 und sich in der zwei-
ten Hälfte der 1950er Jahre verlief, hatte ihre Räume in der Fuhrmannsgasse im
achten Wiener Gemeindebezirk, wo sich auch eine Bibliothek befand.60
Lesungen veranstaltete in den unmittelbaren Nachkriegsjahren auch die „Wie-
ner Kunstgemeinde der sozialistischen Bildungs-Zentrale“, die unter dem Titel
„Dichter sehen die Welt“ in der Wiener Urania stattfanden,61 sowie die Wiener
Städtischen Büchereien im Rahmen der Wiener Festwochen.62
Auffallend hinsichtlich literarischer Veranstaltungen ist, dass es vor allem in den
Bundesländern zu Versuchen kam, Veranstaltungen zu organisieren, die sich
mit der österreichischen Literatur befassen. Bereits vor der Gründung des Gra-
zer „Forum Stadtpark“ 1959 gab es Initiativen, zumindest einen temporären
58 So berichtet die Zeitschrift „neue generation“, das Organ sozialdemokratischer Studenten, über
die Gründung: „Auf der Basis des Manifests des Berliner Kongresses für kulturelle Freiheit
fand kürzlich die Gründung des Allgemeinen Jugendkulturwerkes, Gesellschaft für Freiheit
und Kultur, statt. Diese überparteiliche und überkonfessionelle Vereinigung, deren Vorstand
unter anderen Christine Busta, Heinrich Carwin, Milo Dor, Hans Heinz Hahnl, Peter Perz,
Peter Stern, Peter Strasser und Helmut Schwarz angehören, wählte den Schriftsteller Reinhard
Federmann zum Obmann. Sie setzt es sich zur Aufgabe, die Interessen der jungen Generation,
insbesondere auf dem Gebiet der Wissenschaft und Kunst, in der Öffentlichkeit zu vertreten.
Dies bedeutet im Sinne des erwähnten Manifestes auch den Zusammenschluß der Jugend zum
Schutz der kulturellen Freiheit, gegen jede Bedrohung aus Ost und West. Die Gesellschaft glie-
dert sich vorläufig in die Sektionen Bühne, Literatur, Bildende Künste und internationaler
Jugendaustausch.“ Vgl.: N. N.: Jugend und kulturelle Freiheit. In: neue generation 1 (1951),
H. 3, S. 4.
59 Vgl. Joseph McVeigh: Cold War in the Coffee House. In: Journal of Austrian Studies 48 (2015),
H. 3, S. 65–87.
60 N. N.: Treffpunkt: Fuhrmannsgasse. In: neue generation 3 (1953), Nr. 9/10.
61 „Die Zeit“, berichtet z. B. in Heft 5 vom März 1949 von einem Autorenabend mit Rudolf Brunn-
graber und Milo Dor, die einleitenden Worte sprach Gustav K. Bienek.
62 Vgl. dazu Alfred Pfoser: Die Wiener Städtischen Büchereien. Zur Bibliothekskultur in Öster-
reich. Wien: WUV 1994, S. 201.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
58 Der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437