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über den Einschnitt des Weltkriegs hinweg“.77 Die Zeitschrift definierte sich als
unpolitisch, gab jedoch klassisch-idealistischen Stilrichtungen den Vorzug. Als
redaktionelle Mitarbeiter waren Rudolf Henz, Otto Mauer und Hans Weigel an
der Gestaltung der Zeitschrift beteiligt, die der österreichischen kulturpoliti-
schen Situation in einem „Ineinander der Linien von Kritik und Kompromiß“78
Ausdruck verliehen.
Hinsichtlich wichtiger katholischer Publikationsmedien, die auch die zeitge-
nössische österreichische Literatur berücksichtigten, sind Friedrich Funders
„Die österreichische Furche“, eine „Wochenzeitschrift für Gesellschaft, Politik,
Kultur, Religion und Wirtschaft“ (ab 1955 „Die Furche“), in deren Redaktion ab
1949 Friedrich Heer arbeitete, sowie Otto Mauers „Wort und Wahrheit“ zu nen-
nen. An der „Monatsschrift für Religion und Kultur“, die ab 1947 erschien, arbei-
teten auch Karl Hans Strobl und Otto Schulmeister mit, der später auch als Her-
ausgeber der „Furche“ reüssierte. Die Zeitschrift galt als Plattform für
Intellektuelle und Akademiker und als Sprachrohr einer zeitgemäßen Theologie,
Kultur und Kunst, in der auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler vor-
gestellt wurden.79
In die Nachkriegszeit fällt auch die Veröffentlichung der sechzehnten Ausga-
be des „Brenner“ von Ludwig von Ficker in Innsbruck, der ab 1940 auf der
NS-Liste des „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gestanden ist. Bis
1954 erschienen noch zwei weitere Nummern.
Der zwischen 1948 und 1951 erscheinende „Lynkeus“ fügte sich nicht in typi-
sche Benennungen der Nachkriegszeitschriften ein, sondern stellte mit seinem
Titel einen direkten Bezug zu Antike und Mythologie her, was einen „bildungs-
bürgerlichen Einschlag“80 vermuten lässt. Der Titel bezieht sich auf die Figur des
Türmers in Johann Wolfgang von Goethes Faust. Der Tragödie Zweiter Teil (1832).
Hermann Hakel, der auch ein „Autoren-Studio“ im Wiener Volksbildungshaus
Urania betrieb, entdeckte in seiner Funktion als Herausgeber u. a. Ingeborg
Bachmann, Gerhard Fritsch sowie Marlen Haushofer und bewirkte Nachwuchs-
spalten in der Tages- und Parteipresse. Hakel sammelte einen Kreis um sich, der
77 Ursula Seeber-Weyrer: „Wurzellose Geistreicheleien“? Literarisch-publizistische Faschismus-
kritik am Beispiel von zwei österreichischen Zeitschriften: das silberboot (1935–1936, 1946–
1952) und Der Turm (1945–1948). In: Uwe Baur, Karin Gradwohl-Schlacher, Sabine Fuchs
(Hg.): Macht Literatur Krieg. Österreichische Literatur im Nationalsozialismus. Wien, Köln,
Weimar: Böhlau 1998 (= Fazit 2), S. 376–392, hier S. 377.
78 Ebd., S. 381.
79 Vgl. Bernhard A. Böhler: Monsignore Otto Mauer. Ein Leben für Kirche und Kunst. Wien:
Triton 2003.
80 Ingrid Pfeiffer: Scheideweg der Worte. Literatur in österreichischen Zeitschriften 1945–1948.
Wien: Ed. Steinbauer 2006, S. 134.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 63
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437