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„Surrealistischen Publikationen“, die 1950 von Edgar Jené und Max Hölzer
gegründet, zwar nur kurzlebig, aber dennoch hinsichtlich eines Anschlusses an
die Moderne bedeutend waren.
Ab 1954 erschien die Kulturzeitschrift „FORVM“ (1954 bis 1965, dann als „NEU-
ES FORVM“ von Günther Nenning weitergeführt). Die von Friedrich Torberg
herausgegebene Zeitschrift des „Kongresses für kulturelle Freiheit“ war eine
publizistische Speerspitze im Kalten Krieg.90 Torberg, der 1951 aus dem US-ame-
rikanischen Exil nach Wien zurückgekehrt war, arbeitete beim US-amerikani-
schen Besatzungssender „Rot-Weiß-Rot“ und der ebenfalls von den US-ameri-
kanischen Streitkräften herausgegebenen Tageszeitung „Kurier“. Das Ziel des
antikommunistischen „FORVM“ war, die europäischen Intellektuellen und „Fel-
low Traveller“ gegen den Sowjetkommunismus zu mobilisieren und diesen
zugleich auf kulturellem Feld einzudämmen. 1967 wurde die Finanzierung des
„Kongresses für kulturelle Freiheit“ durch CIA-Gelder bekannt, was zu einem
Skandal führte. Im „FORVM“ wurde zwar auch über österreichische Literatur
diskutiert, jedoch ging es Torberg vor allem darum, an die Zwischenkriegszeit
anzuschließen. Jüngere Autorinnen und Autoren kamen kaum zum Zug. The-
matische Schwerpunkte finden sich hinsichtlich Franz Kafka und Karl Kraus,
aber auch in Bezug auf die Exilliteratur, wie den damals bereits verstorbenen
Hermann Broch, mit dem Torberg befreundet gewesen war.91
Weiters gab es beispielsweise die von Heinz Kindermann und Margret Dietrich
herausgegebene Zeitschrift „Freude an Büchern“ (1951–1954), die mit einer brei-
ten Streuung der Beiträge auch moderne Strömungen wie Surrealismus und
Existenzialismus umfasste, jedoch „von altväterlicher Distanziertheit und müder
Skepsis nicht immer frei“92 war. Die „Wiener Bücherbriefe“ (1954–1980), vom
Magistrat der Stadt Wien finanziert und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der „Wiener Städtischen Büchereien“ verfasst, war zwar langlebig und brachte
Rezensionen zu Neuerscheinungen, richtete sich jedoch eher an Mitglieder von
Leihbibliotheken.
Die kurzlebige Zeitschrift „publikationen einer wiener gruppe junger auto-
ren“ von Andreas Okopenko fand in „alpha. Neue Dichtung“ ihre Fortsetzung.
Zwischen 1954 und 1960 erschien in unregelmäßigen Abständen die von Hanns
90 Vgl. Anne-Marie Corbin: „Das FORVM ist mein Kind“. Friedrich Torberg als Herausgeber
einer publizistischen Speerspitze des Kalten Krieges. In: Marcel Atze, Marcus G. Patka (Hg.):
Die „Gefahren der Vielseitigkeit“. Friedrich Torberg 1908–1979. Wien: Holzhausen 2008 (=
Wiener Persönlichkeiten 6), S. 201–221.
91 Vgl. Millner: Von Alpha bis Zirkular, S. 120 f.
92 Heinz Lunzer: Der literarischer Markt 1945 bis 1955. In: Aspetsberger, Frei, Lengauer (Hg.):
Literatur der Nachkriegszeit und der fünfziger Jahre in Österreich, S. 24–45, hier S. 41.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 67
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437