Seite - 91 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Bild der Seite - 91 -
Text der Seite - 91 -
Ein weiterer langjähriger Mitarbeiter war der am 17.
Mai 1926 in Wien gebo-
rene Kurt Benesch, der davor im Auftrag der Grillparzer-Gesellschaft tätig gewe-
sen war, für die er das Informationsblatt „Literatur aus Österreich“ herausgege-
ben hatte. Benesch wurde 1944 zur Deutschen Wehrmacht eingezogen, geriet in
Italien in Kriegsgefangenschaft, konnte 1946 heimkehren und studierte anschlie-
ßend Germanistik und Theaterwissenschaften an der Universität Wien. Er pro-
movierte 1950 mit einer Dissertation über Ibsen am Wiener Theater und begann
1952 erste Prosastücke in Zeitungen und Zeitschriften zu publizieren. In der
Folge war er als Dramatiker, Erzähler und Verfasser von Reiseberichten und
Sachbüchern über Archäologie tätig. Zu seinen Werken zählt u. a. der Roman
Flucht vor dem Engel (1955), erschienen im Paul-Zsolnay-Verlag, über den Kraus
in einer Rezension, die in zahlreichen regionalen deutschen Tageszeitungen
erschien, urteilt: „Man muß Kurt Benesch in die vorderste Reihe der jungen
Literaten von heute stellen.“36 Der Maßlose erschien 1956 als Fortsetzungsroman
in der „Arbeiter-Zeitung“, Benesch verfasste auch Jugendromane, darunter Die
einsamen Wölfe (1964), historische Romane wie z. B. Die Frau mit den hundert
Schicksalen (1966) und einen biografischen Roman über Marie von Ebner-Eschen-
bach, weiters Die vielen Leben des Mister Sealsfield (1966), Zwischen damals und
Jericho (1990) und Die Suche nach Jägerstätter (1993). Als Kraus im Europa-Ver-
lag als Konsulent tätig war, wurde dort Der Sonne näher. Notizen eines Outsiders
(1972) veröffentlicht. Sein Theaterstück Ein Boot will nach Abanduna (1953)
kam in Stella Kadmons „Theater der Courage“ zur Uraufführung. Benesch war
Mitglied des österreichischen P.E.N.-Clubs sowie des „Österreichischen Schrift-
stellerverbandes“. Besondere Bedeutung kam ihm innerhalb der ÖGL als Leiter
und Organisator des „Forums der Jugend“ zu (vgl. Kapitel 3.6). Er wurde u. a.
mit dem Theodor-Körner-Preis (1956, 1970), dem Anerkennungspreis zum
Österreichischen Staatspreis und dem Förderpreis der Stadt Wien ausgezeich-
net. Reinhard Urbach bezeichnet Benesch als einen „spannende[n] Erzähler, der
an Erzähltraditionen des 19. Jahrhunderts anknüpft“ und charakterisiert sein
Werk dahingehend, dass es dort anknüpfe, „wo um des Lebendigen und Mora-
lischen willen erzählt wird“.37 Benesch starb am 20. Jänner 2008 in Wien.
Reinhard Urbach, geboren am 12.
November 1939 in Weimar, war ebenfalls ein
wichtiger Mitarbeiter in der Gesellschaft. Der Theaterwissenschaftler, Drama-
turg und Theaterleiter wirkte von 1968 bis 1975 in der ÖGL, sollte aber ab 1975
zu Kraus’ größtem Konkurrenten erwachsen, als er als Literaturreferent des Kul-
turamtes der Stadt Wien das „Literarische Quartier“ in der Alten Schmiede lei-
tete. Ab 1979 war Urbach Chefdramaturg des Wiener Burgtheaters und initiier-
36 Wolfgang Kraus: Die Flucht vor dem Engel. In: Der Tag (Berlin), 18. Oktober 1955.
37 Reinhard Urbach: Kurt Benesch. In: Neue Wege 25 (1970), Nr. 240, S. 7–8, hier S. 7.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 91
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437