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NS-affine Autorinnen und Autoren
Es traten in der ÖGL einige jener österreichischen Schriftstellerinnen und Schrift-
steller auf,
die vor und im Jahre 1938 ihre deutsch-nationalen, völkisch-national-konservati-
ven und nationalsozialistischen Bekenntnisse abgaben oder zumindest als vorbild-
liche Vertreter ostmärkischer Dichtung verstanden und verwertet/vereinnahmt
wurden, und die sich nach 1945 als Österreich-Bekenner, Humanisten und Demo-
kraten, als Enttäuschte und Standhafte in das kulturelle Leben einfügten und beson-
ders in den fünfziger Jahren vom Bund, von den Ländern und von privaten Insti-
tutionen ausgezeichnet wurden.79
Darunter fallen etwa Franz Nabl, der im Oktober 1965 aus Johannes Krantz und
Das Rasenstück las sowie an der Präsentation der Anthologie „BEISPIELE. 32 öster-
reichische Erzähler“, die im Oktober 1967 stattfand, teilnahm und dann erst wie-
der im Oktober 1973 auftrat, wo er Der Tag der Erkenntnis vorstellte.80 Werner Rie-
merschmid, der ab 1938 am Reichssender Wien mitgearbeitet hatte und als
Beiträger im Bekenntnisbuch österreichischer Dichter vertreten war, dennoch nach
1945 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unterkam, hielt im Jänner 1965 einen
Vortrag über „Die andere Seite. Das Abgründige an der österreichischen Literatur“.
Der aus Südtirol stammende Franz Tumler gehörte im „Dritten Reich“ auf-
grund seines deutsch-völkischen Bekenntnisses zu den „besonders beliebten
79 Karl Müller: Zur Kontinuität österreichischer Literatur seit den dreißiger Jahren. In: Friedrich
Stadler (Hg.): Kontinuität und Bruch. 1938–1945–1955. Beiträge zur österreichischen Kultur-
und Wissenschaftsgeschichte. Wien, München 1988 (= Emigration – Exil – Kontinuität 3),
S.181–216, hier S.
184. Müller, der die Übergänge zwischen dem „christlich-katholischen-kon-
servativen und nationalen Lager“ als fließend bezeichnet, zählt u. a. Richard Billinger, Erna
Blaas, Bruno Brehm, Arthur Fischer-Colbrie, Gertrud Fussenegger, Franz Karl Ginzkey, Maria
Grengg, Paula Grogger, Rudolf Henz, Paul Anton Keller, Max Mell, Rudolf List, Franz Nabl,
Joseph Georg Oberkofler, Josef Friedrich Perkonig, Werner Riemerschmid, Ernst Scheibelrei-
ter, Friedrich Schreyvogl, Max Stebich, Herbert Strutz, Franz Tumler, Karl Heinrich Waggerl,
Julius Zerzer, Kurt Ziesel, Heinrich Zillich.
80 Vgl. zu Franz Nabl: Klaus Amann: Franz Nabl. Politischer Dichter wider Willen? Ein Kapitel
Rezeptions- und Wirkungsgeschichte. In: Ders.: Die Dichter und die Politik. Essays zur öster-
reichischen Literatur nach 1918. Wien: Ed. Falter/Deuticke 1992, S. 152169; Kurt Bartsch, Ger-
hard Melzer, Johann Strutz (Hg.): Über Franz Nabl. Aufsätze, Essays, Reden. Graz, Wien, Köln:
Styria 1980. Nabl richtete Ende des Jahres 1968 einen Brief an Kraus, in dem er mitteilt, dass
er auf die Empfehlung von Hans Weigel, ihn um Mithilfe bei der Beratung hinsichtlich der
„eventuellen Veröffentlichung“ seines literarischen Nachlasses bittet. Vgl. Franz Nabl an Wolf-
gang Kraus, 9. Dezember 1968, Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung der Karl-Fran-
zens-Universität Graz, Nachlass Franz Nabl, Sign: FNI-Nabl, 2.447.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
102 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437