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Zwei Jahre später, am 8.
Mai, fand eine Pressekonferenz mit vormittäglichen
Lesungen anlässlich des 25. Hefts der „manuskripte“, im Palais Wilczek statt.
Otto Breicha, der versuchte, der Zeitschrift positive Publicity zukommen zu las-
sen,111 führte ein Gespräch mit Kolleritsch, die Lesung übernahmen Frischmuth
und Hoffer. Die breitenwirksame Präsentation sollte dazu führen, dass endlich
„mehr als bloß 50 Exemplare in Wien verkauft werden“.112
Kolleritsch wandte sich im April 1967 u. a. an die ÖGL, da gegen ihn eine
anonyme Anzeige aufgrund des Abdrucks einiger Passagen aus Oswald Wieners
die verbesserung von mitteleuropa erstattet worden war.113 Die Text-Auszüge wur-
den vom Subventionsgeber, dem Land Steiermark, als pornographisch beanstan-
det: „einige grazer kulturbeamte haben mich vorgeladen, sie wollten, daß ich
mich wegen der literatur, die ich in den manuskripten veröffentlichte, rechtfer-
tige. Es wurde eine subventionssperre angedroht, wenn ich nicht von dem weg
abrücke, den ich eingeschlagen habe.“114 Kolleritsch bat um einige Zeilen, die
bestätigen sollten, dass die in den „manuskripten“ publizierte Literatur „kein
entarteter sonderfall ist, sondern der tendenz der modernen literatur ent-
spricht“.115 Herbert Zand antwortet, dass von ausländischen Gästen oft zu hören
sei, dass die „manuskripte“ als eine „sehr interessante österreichische Publika-
tion gewertet werden“ und verteidigte die Zeitschrift mit der sozialen Stellung
des Schriftstellers in der modernen Gesellschaft, der unter den „harten Bedin-
gungen des technischen und übernationalen Zeitalters“ in der „Masse härter
und aggressiver, oft auch unangenehmer“116 würde.
111 Otto Breicha: Der Literatur ein Bein stellen oder Drehen am Subventionshahn. In: Kurier,
13. Dezember 1967, S. 13. Breicha weist in diesem Artikel darauf hin, dass die „manuskripte“
im Ausland starke Beachtung finden und sie in ihrem „Engagement, dem unbeschönigenden
Dichten und Trachten der Zeit ein Forum und Sprachrohr zu sein“ in Österreich einzigartig
seien, aber v. a. in Graz ignoriert würden: „Das hat sich nun mit einemmal geändert. Man blät-
tert höheren Orts in den ‚manuskripten‘, aber nur, um sie umzubringen. Das Forum Stadtpark
ist wieder einmal der Stein des Anstoßes. Ihm möchte man am liebsten den Subventionshahn
abdrehen. Vor allem aber soll es den „manuskripten“ an den Kragen. Weil man angeblich gegen
das Pornographiegesetz verstoßen hat, werden die Herausgeber vor den Kadi müssen. […] Was
die ‚manuskripte‘ für die Propagierung österreichischer Nachwuchsautoren getan haben, muß
ihren Herausgebern hoch angerechnet werden.“
112 Ub: Das Wunder der „Manuskripte“. Jubiläum der Grazer Avantgarde-Zeitschrift im Palais
Wilczek. In: Kurier, 8. Mai 1969, S. 9.
113 Vgl. Holger Englerth: „In den Manuskripten kann man nicht blättern, man ist verurteilt zu
lesen.“ Manuskripte (seit 1960), S. 20. http://www.onb.ac.at/oe-literaturzeitschriften/Manu-
skripte/Manuskripte_essay.pdf [zuletzt aufgerufen am 15.1.2020].
114 Alfred Kolleritsch an die ÖGL, 11.
April 1967. Zit. n. Schmidt: Die Geschichte der ÖGL. Doku-
mentationsband, S. 314.
115 Ebd.
116 Herbert Zand an Alfred Kolleritsch, 12.
April 1967. Zit. n. Schmidt: Die Geschichte der ÖGL.
Dokumentationsband, S. 315.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
112 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437