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Theater die Publikumsbeschimpfung zur Uraufführung. Handke wurde auch von
der ÖGL hofiert. Breicha wollte Handke „für den wieder einmal verreisten Dok-
tor Kraus zu einer Lesung“ einladen, die „unbedingt im grossen Palffy-Saal“141
durchgeführt werden sollte. Weitere Lesungen fanden in den Jahren 1969 und
1972 statt.
1968 traten auch der Lyriker und Übersetzer Gerald Bisinger neben seiner
damaligen Ehefrau, der Lyrikerin Elfriede Gerstl, sowie Wolfgang Bauer auf.
Bisinger lebte seit 1964 in West-Berlin, wo er als Redakteur des „Literarischen
Colloquiums Berlin“ tätig war und sich vermittelnd für die österreichische Lite-
ratur einsetzte.
Im Jänner 1969 wurde bekannt, dass Elfriede Jelinek den Preis für Lyrik im
Rahmen eines Literaturwettbewerbs der Innsbrucker Jugendkulturwochen gewon-
nen hatte.142 Otto Breicha, der Jelineks literarische Anfänge in den „protokollen“
1968 veröffentlicht hatte, holte sie im Mai desselben Jahres in der Reihe „Profile
der neuen österreichischen Literatur“ gemeinsam mit Gert Jonke für eine Lesung
in die ÖGL. Wie ein Rezensent urteilte: „Das ist die J-Generation: Jonke und
Jelinek. Zwischen Jandl und Handke. Zwischen Sprachspaß und Sprachernst. Die
Twens in der Literatur. Früher hätten sie Waldbauernbua und Trotzköpfchen kon-
sumiert. Heute wissen sie es besser. Und schreiben beides selber in Pop-Manier.“143
Die ÖGL und der Residenz-Verlag
Ein Überhang hinsichtlich der Präsentation von Werken eines Verlags zeichnete
sich seit 1967 ab. 19 Veranstaltungen sind dem Salzburger Residenz-Verlag und
seiner literarischen Produktion zwischen 1967 und 1975 gewidmet. Der Verleger
Wolfgang Schaffler hatte Residenz 1956 in Salzburg gegründet, welcher sich unter
seiner Führung zum renommiertesten österreichischen Literaturverlag entwi-
ckeln sollte. Durch den Einfluss verschiedener Berater, u. a. Rudolf Bayr, Hans
Weigel, Paul Kruntorad und Ilse Leitenberger, wurde der Schwerpunkt auf die
141 Otto Breicha an Peter Handke, 17. Jänner 1967, ÖGL-Archiv.
142 Vgl. N. N.: Jugendkulturwoche Innsbruck: Literatur-Preise. In: Kurier, 27. Jänner 1969. Der
Tiroler Landesjugendreferent hatte zwar gegen die Verleihung des Preises an Jelinek protestiert
und sah den premierten Text als unter Drogeneinfluss entstanden an, jedoch konnten sich
Alfred Kolleritsch und Ernst Jandl durchsetzen, die in diesem Jahr der Literatur-Jury der
Jugendkulturwochen angehörten. Vgl. Uta Degner: Biographische Aspekte und künstlerische
Kontexte. In: Pia Janke (Hg.): Jelinek-Handbuch. Unter Mitarbeit von Christian Schenkermayr
und Agnes Zenker. Stuttgart, Weimar: Metzler 2013, S. 2–8, hier S. 5 f.
143 D.
H.: Die J-Generation. Jonke und Jelinek in der Gesellschaft für Literatur. In: Kurier, 16.
Mai
1969, S. 9.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 119
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437