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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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die sich auf den „Opfermythos“, also die „Moskauer Deklaration“ von 1943 stütz- te.160 Diese half die Mitverantwortung am Zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1980er Jahre zu überdecken. Es wurde ein „märchen- und zauberhaftes Österreich, vol- ler Poesie und Musik“ konstruiert, womit eine Entpolitisierung der Heimat ver- sucht wurde: „Der Staat, die politischen Systeme ändern sich: Die Heimat bleibt. Das führte zu jenem konservativen kulturellen Provinzialismus der Fünfziger- jahre“.161 Angereichert durch den „Habsburgischen Mythos“ konnte man die Heimat in die Vergangenheit der Donaumonarchie ausdehnen, wobei signifikant ist, dass „die kulturellen Hochblüten der Monarchie gerne als österreichisch umdefiniert, de facto ‚verösterreichert‘“162 wurden. Der ÖGL kommt in diesem Kontext durchaus eine kanonisierende Funktion zu, denn der Kanon dient einer Nation als fiktive Symbolisierung von Identität. Aus österreichischer Sicht versuchte man sich in einem an der k.  u.  k. Mon- archie ausgerichteten Mitteleuropa zu lokalisieren. Wie der US-amerikanische Historiker Charles  S. Maier, festgestellt hat, sei dies durch Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften (1930) und Joseph Roths Radetzkymarsch (1932) vor allem auch eine literarische Konstruktion gewesen: „The Austrian version of Central Europe is built upon cultural exchange and burnishing memories.“163 Wie Zeyringer bemerkt hat, diente eben auch die österreichische Literatur als Baustein des „Österreich-Bewusstseins“,164 eventuell war sie aber nur ein „Bau- steinchen“. Denn Literatur spielte im Rahmen der Kulturpolitik, schon aus einer quantitativ-finanziellen Perspektive, eine völlig untergeordnete Rolle: „Sie hatte – möglichst vage […] – jene österreichische Idee immer wieder zu (be)schrei- ben, jenseits derer Österreich, nicht nur ökonomisch, in ein (im weitesten Sinn) US-amerikanisches System integriert wurde.“165 160 Vgl. Günter Bischof: Die Instrumentalisierung der Moskauer Erklärung nach dem 2. Weltkrieg. In: Zeitgeschichte 20 (1993), H. 11, S. 345–366. 161 Ernst Hanisch: Reaustrifizierung in der Zweiten Republik und das Problem eines österreichi- schen Nationalismus. In: Lutz Musner, Gotthart Wunberg, Eva Cescutti (Hg.): Gestörte Iden- titäten? Eine Zwischenbilanz der Zweiten Republik. Ein Symposion zum 65.  Geburtstag von Moritz Csáky. Innsbruck, Wien, München, Bozen: Studien-Verlag 2002, S. 27–34, hier S. 30. 162 Oliver Rathkolb: Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2010. Innsbruck: Haymon 2011, S. 37. 163 Charles S. Maier: Whose Mitteleuropa? Central Europe between Memory and Obsolescence. In: Günter Bischof, Anton Pelinka (Hg.): Austria in the new Europe. New Brunswick, London: Transaction Publishers 1993 (= Contemporary Austrian Studies 1), S. 8–18, hier S. 13. 164 Klaus Zeyringer: „Das mögliche Österreich ist an euch vorbeigegangen“. Literarische Öster- reich-Bilder aus der Innensicht der Außensicht der Innensicht. In: Ursula Prutsch, Manfred Lechner (Hg.): Das ist Österreich. Innensichten und Außensichten. Wien: Döcker 1997 (= Stu- dien zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte 11), S. 11–36, hier S. 25. 165 Georg Schmid: Die falschen Fuffziger. Kulturpolitische Tendenzen der fünfziger Jahre. In: Aspetsberger, Frei, Lengauer (Hg.): Literatur der Nachkriegszeit und der fünfziger Jahre in Österreich, S. 7–23, hier S. 19. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 125
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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Titel
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Autor
Stefan Maurer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Abmessungen
15.8 x 24.0 cm
Seiten
452
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
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