Seite - 149 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Bild der Seite - 149 -
Text der Seite - 149 -
Finanziell gesehen mutete die Konstruktion rund um die Abnahme von Exem-
plaren der Literaturzeitschrift, die Gerhard Zerling mit Ministerialrat Brunmayr
vereinbart hatte,243 sonderbar an. Für die 500 Abonnements stellte der Stias-
ny-Verlag stets 90.000 Schilling in Rechnung.244 Es lässt sich mutmaßen, dass
das Unterrichtsministerium oftmals erst spät die Subventionen verteilte, weshalb
es dazu kam, dass Kraus die Rechnung in Raten abstottern musste, was ihm
sichtlich unangenehm war: „Wir haben gestern 30.000 Schilling an Sie überwie-
sen und dafür einige andere Rechnungen neuerlich zurückgestellt. Ich hoffe,
dass ich im kommenden Monat wieder einen ähnlichen Betrag entbehren kann,
den ich Ihnen sofort zugehen lasse. Es ist nicht meine Art, Schulden zu haben,
doch ist eben unser Kassastand so, dass ich nicht über mehr verfüge.“245
Wie bereits ausgeführt wurde, war die Zeitschrift ein wichtiger Exportartikel in
der österreichischen Kulturpolitik; man kann „Wort in der Zeit“ als ein Instru-
ment der Auslandskulturpropaganda betrachten, ein „Vademekum“ für jene im
akademischen Bereich und Schreibende im Ausland, die sich mit österreichi-
scher Literatur befassen wollten. Der Kreis der Rezipientinnen und Rezipienten
reichte von der Sowjetunion, der ČSSR über Polen, Jugoslawien sowie Rumäni-
en (vgl. Kapitel 6.4) bis hin zu Exilanten-Kreisen in England und Nordamerika.
Sogar bis nach Japan wurde dieser Kultur-Artikel exportiert, wo die Österrei-
chische Botschaft in Tokio ein erhöhtes Kontingent von zwanzig Exemplaren
angefordert hatte.246
Das Ende von „Wort in der Zeit“
Zum zehnjährigen Jubiläum der Zeitschrift fand im Februar 1965 eine Presse-
konferenz in der ÖGL statt. Henz hat die Eindrücke des Pressegesprächs festge-
halten: „Heute Pressekonferenz. Wie immer ganz nett u. zustimmend. Wie dann
die Presse sein wird! Ich hätte es ohne Zerling leichter. Ein an sich gutes Gespräch
243 Wolfgang Kraus an Gerhard Zerling, 16. Oktober 1961, ÖGL-Archiv: „Wie mir MI Dr. Brun-
mayr erklärt hat, sollen wir die Begleichung von 500
St. ‚Wort in der Zeit‘ über unser Konto an
Sie übernehmen.“
244 Rechnung des Stiasny-Verlags an die ÖGL, 4. Jänner 1963, ÖGL-Archiv.
245 Wolfgang Kraus an Gerhard Zerling, 30.
Jänner 1963, ÖGL-Archiv. Vgl. auch Wolfgang Kraus
an Gerhard Zerling, 26. Juli 1962, ÖGL-Archiv: „Es ist mir überaus peinlich, dass wir mit unse-
re Zahlungen [sic] bei Ihnen so sehr im Rückstand sind, aber ich kann meine Hände in Unschuld
waschen, da wir, wie Sie ja wissen, ganz und gar von den Subventionen des Unterrichtsminis-
teriums abhängig sind.“
246 Vgl. Bundeskanzleramt Sektion III (Bundespressedienst), Zl. 44.140 – III/C/61. „Wort in der
Zeit“, an die ÖGL, 25. Oktober 1961, ÖGL-Archiv.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 149
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437