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Kraus und die ÖGL arbeiteten vor allem in den 1960er Jahren durchaus dar-
an, gefördert durch Institutionen wie den „Kongress für kulturelle Freiheit“, die-
ses „grüne Flaschenglas“ zu zerbrechen, auch wenn dahinter eindeutige ideolo-
gische Ziele standen (vgl. Kapitel 6).
Hilde Spiel
Ein ausgezeichnetes Verhältnis pflegten Kraus und Hilde Spiel, die „Grand Dame
der österreichischen Literatur“.335 Spiel, die 1963 endgültig aus dem englischen
Exil nach Österreich zurückgekehrt war, bedankte sich bei Kraus, „Sie und die
Österreichische Gesellschaft für Literatur von allem Anfang bis zum Ende waren
die einzigen, die sich wirklich immer vorbehaltlos für mich eingesetzt und mich
in jeder Weise unterstützt und gefördert haben.“336 Kraus hat anlässlich ihres
60.
Geburtstages eine Würdigung geschrieben: „Aus dem heutigen literarischen
Leben Wiens ist Hilde Spiel nicht wegzudenken, und doch hat sie so lange Zeit
außerhalb ihrer Heimat gelebt.“337
Hier stehen einander zwei Funktionäre des Literaturbetriebs in einer freund-
lichen Beziehung gegenüber, war Spiel noch zwischen 1966 und 1971 General-
sekretärin des österreichischen P.E.N.-Clubs und anschließend Vizepräsidentin,
bevor sie diesem aufgrund ihrer durch Friedrich Torberg verhinderten Wahl zur
Präsidentin 1972 den Rücken kehrte. Sie blieb jedoch für den Internationalen
P.E.N. tätig. Als Kulturkorrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“
berichtete sie immer wieder über die Veranstaltungen der ÖGL. In den 1970er
Jahren gründete sie gemeinsam mit Milo Dor die IG Autoren.
Spiel war 1936 gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann Peter de Mendelssohn
nach England emigriert. Der Schriftsteller de Mendelssohn war ab 1939 im Bri-
tischen Informationsministerium und zwischen 1945 und 1948 Presseoffizier
der Britischen Kontrollkommission und verfügte deswegen nach 1945 über aus-
gezeichnete Kontakte, u. a. auch zu Melvin
J. Lasky und dessen „Monat“, in dem
beide zu publizieren begannen. 1941 hatte Spiel die britische Staatsbürgerschaft
erhalten und in englischer Sprache zu schreiben begonnen. Ab 1939 war sie im
Londoner Zentrum des P.E.N. aktiv, in den sie 1937 Robert Neumann eingeführt
hatte.
335 Vgl. Hans A. Neunzig, Ingrid Schramm (Hg.): Hilde Spiel. Weltbürgerin der Literatur. Wien:
Zsolnay 1999 (= Profile. 3.); Ingrid Schramm, Michael Hansel (Hg.): Hilde Spiel und der lite-
rarische Salon. Innsbruck, Wien, Bozen: Studien-Verlag 2011.
336 Hilde Spiel an Wolfgang Kraus, 22. Jänner 1983, NL WK.
337 Wolfgang Kraus: Eine Dame der Literatur. Zum 60. Geburtstag von Hilde Spiel am 19. Okto-
ber 1971, ms. Ts., ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
172 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437