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Kunst und Kultur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Seite - 177 -
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Cvijić sowie viele Freunde, die während der Säuberungswellen des Stalinismus ermordet wurden, finden sich später als Figuren in seiner Roman-Trilogie Wie eine Träne im Ozean wieder.358 1934 flüchtete er nach Paris, um dort u. a. mit Art- hur Koestler für das im Auftrag der Komintern gegründete „Institut zum Studium des Faschismus“ (INFA) zu arbeiten. Mit dem Beginn der Moskauer Schaupro- zesse ab 1937 begann Sperber, eine kritische Distanz zur KP aufzubauen, mit der er nach dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 vollends brach. Dies entsprach aufgrund der damaligen geopolitischen Verhältnisse einem „Sprung ins Nichts“, da der Zwang vorherrschte, sich entweder dem Faschismus oder dem Kommunismus stalinis- tischer Prägung zuzuordnen. Der aus der Theologie stammende Begriff des „Rene- gaten“, der Sperber in der Folge zugeordnet wurde, war, wie Michael Rohrwasser festgestellt hat, problematisch, da dieser ein Kampfbegriff des stalinistischen Lagers war: Der Renegat wird dadurch mit dem faschistischem Lager verbunden und als ein Überläufer, Verräter und Werkzeug der Faschisten denunziert.359 1938 wurde Sperber Mitarbeiter von Willi Münzenbergs Zeitschrift „Die Zukunft“. Im September 1942 flüchtete er in die Schweiz, lebte in Zürich und kehrte 1945 nach Paris zurück, wo er als Schriftsteller und Lektor lebte. Im renommierten Verlag Calmann-Lévy war er als Herausgeber und auch Leiter des fremdsprachigen Sektors tätig. Kraus erinnert sich an seinen ersten Besuch 1960 in Paris, wo Sperber ihn „in einem über eine besondere Stiege erreichba- ren dunklen Raum, der mit viel Plüsch, mit Fauteuils und einem Divan luxuri- ös ausgestattet war“,360 empfing. Sperber schrieb zweisprachig, er konnte sich vom Deutschen nicht lösen, verfasste Romane in Deutsch und Essays in Fran- zösisch. Er lag, wie Gerald Stieg feststellt, auf der Wiener Linie, wo zwar ein „syste- matische[r] Kommunismusverdacht“361 gegenüber ideologisch Verdächtigen, aber nicht gegen Renegaten herrschte. Bis zu seiner umstrittenen Friedenspreisrede 1983 blieb die Klärung von Sper- bers „linker“ Position dessen Hauptanliegen. Sperber war darüber hinaus Grün- 358 Vgl. Claudia Sternberg: Ein treuer Ketzer. Studien zu Manès Sperbers Romantrilogie „Wie eine Träne im Ozean“. Stockholm: Almqvist & Wiksell International 1991. 359 Vgl. Michael Rohrwasser: Manès Sperber, die Renegaten und das „No Man’s Land“. In: Corbin, Le Rider, Müller-Funk (Hg.): Der Wille zur Hoffnung, S. 127–145; Tony Judt hat hinsichtlich dieses Bekenntniszwangs konstatiert: „In Stalins politischer Welt gab es keine politischen Dis- kussionen, sondern nur Ketzer, keine Kritiker, nur Feinde, keine Irrtümer, nur Verbrechen.“ Tony Judt: Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart. Frankfurt/M.: Fischer 2009, S. 221. 360 Wolfgang Kraus: Manès Sperber und Wien. In: Stéphane Mosès (Hg.): Manès Sperber als Euro- päer. Eine Ethik des Widerstands. Berlin: Hentrich 1996, S. 36-49, hier S. 44. 361 Gerald Stieg: Manès Sperber im Kalten Krieg der französischen Intellektuellen. In: Wolfgang Hackl, Kurt Krolop (Hg.): Wortverbunden – zeitbedingt. Perspektiven der Zeitschriftenfor- schung. Innsbruck, Wien, Bozen: Studien-Verlag 2001, S. 207-218, hier S. 209. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 177
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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Titel
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Autor
Stefan Maurer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Abmessungen
15.8 x 24.0 cm
Seiten
452
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
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