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betriebs wird auch deutlich, dass das literarische Leben ein komplexer Sachver-
halt ist, nicht immer literaturhistorischen Schablonen zuordenbar. Die ÖGL war
als Institution sicher ein Kind ihrer Zeit, sowohl was kulturpolitische Aspekte
als auch die Wiener Tradition des literarischen Salons betraf, an die hier ange-
knüpft wurde.
Die Gründung der ÖGL erfolgte eben noch zu einer Zeit, als die politischen
Verhältnisse der Nachkriegszeit, die den Literaturbetrieb geprägt hatten, noch
gefestigt waren. Sie arbeitete jedoch an der Ausdifferenzierung des literarischen
Feldes insofern mit, als sie eine erste Infrastruktur zur Verfügung stellte, die
österreichischen Autorinnen und Autoren ein Podium bot. Dem österreichi-
schen Literaturbetrieb hatte bis dahin eine solche Institution gefehlt, gab es doch
zu dieser Zeit noch keinen österreichischen Verlag, der sich der heimischen Lite-
raturproduktion annahm, und auch die Berichterstattung über Literatur in Rund-
funk und Fernsehen, also die Aufmerksamkeitsökonomie der Öffentlichkeit,
hielt sich noch in beschränktem Rahmen.
Neben ihrem Veranstaltungsprogramm fungierte die ÖGL auch als eine inter-
mittierende Stelle zwischen dem Unterrichtsministerium und Autorinnen bzw.
Autoren, z. B. in der Stipendienvergabe, aber auch zwischen anderen Instituti-
onen des Literaturbetriebs wie Verlagen und dem Buchhandel, die in die Dis-
kussion mit einbezogen wurden, war sie ein Bindeglied. Ob man, wie Martina
Schmidt, der ÖGL unterstellen kann, dass sie keine „wirkliche Verbesserung für
die jungen, innovativen Autoren“406 bewirkte, erscheint aus literaturgeschichtli-
cher Perspektive übermäßig kritisch, da die Kanonisierung auf jeden Fall zuguns-
ten dieser erfolgte.
406 Schmidt: Die Geschichte der ÖGL, S. 148.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
192 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437