Seite - 227 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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chungen zugesandt: „Beiliegend schicke ich Ihnen wieder drei kürzere Glossen,
ich würde mich freuen, wenn Sie sie bringen“ und bietet ihm Rezensionen über
Marlen Haushofers Die Tapetentür „(sehr positiv)“ und Luise Rinsers Abenteuer
der Tugend „(ebenfalls positiv)“129 an, die dann auch abgedruckt wurden.
Auch in einem anderen Medium war Kraus vertreten, nämlich dem Fernse-
hen, denn neben seiner Diskussionsendung „Jour fixe“ im ORF moderierte er
ab 1979 die Plattform für Literatur im ORF, die Sendung „Welt des Buches“, was
angesichts seiner dominierenden Rolle im Literaturbetrieb von anderen Akteu-
rinnen und Akteuren im Feld negativ aufgenommen wurde. Bei einem Sympo-
sium in Mürzzuschlag 1979 protestierte die Grazer Autorenversammlung und
forderte eine „‚Kulturberichterstattung, die der Produktion adäquat ist und bei
der nicht die literarischen Inhalte durch die Aura einer falschen Feierlichkeit
neutralisiert werden. Es besteht die Gefahr, daß durch die Institution eines ein-
zigen Alleinverantwortlichen und Präsentators in der zentralen Sendung über
Buchneuerscheinungen der Vielfalt des literarischen Lebens und damit auch
dem Rundfunkgesetz nicht entsprochen wird.‘“130
Bereits im Dezember 1981 folgte die letzte Sendung dieses Formats und Kraus
moderierte im darauffolgenden Jahr wieder den „Jour fixe“. Nachfolger wurde
das Buchmagazin „Aufgeblättert“, dessen redaktionelle Gestaltung Krista Fleisch-
mann übernahm. In der letzten „Welt des Buches“ stellte Kraus u. a. Peter Roseis
Die Milchstraße und Gerhard Roths Circus Saluti in einem Studiogespräch mit
den Autoren vor.131
Aufschlussreich hinsichtlich der Aufgabe des Kritikers aus Kraus’ Perspektive
ist ein Feuilleton aus dem Jahre 1955, in dem er gegen Bestseller wie Ernst von
Salomons autobiografischen Roman Der Fragebogen (1951) polemisiert und
konstatiert, dass die Kritiker bezüglich der Beurteilung von Bestsellern „den
bequemen Weg des geringsten Widerstandes“132 wählen würden. Auch wenn
sich die Kritik bei „breiten Käuferschichten noch im Ruf revolutionären Aufbe-
gehrens sonnt, die Macht ist lange schon auf ihrer Seite, die Opposition ist längst
schon zur Position geworden“, so diagnostiziert Kraus:
Wo aber bleibt der eigentliche Mut? Nämlich der zur echten Position? Zur Darstel-
lung dessen, wie es denn nun eigentlich sein könnte? Der Mut zum Versuch, die
129 Wolfgang Kraus an Rudolf Henz, 11.
November 1957. Dokumentationsstelle für neuere öster-
reichische Literatur, Wien, Nachlass Rudolf Henz, Karton 16/III.
130 N. N.: Kraussche „Welt des Buches“. In: Volksstimme, 9. November 1979.
131 Vgl. N. N.: Wolfgang Kraus schlägt das letzte Kapitel der ‚Welt des Buches‘ auf. In: Neue Vor-
arlberger Tageszeitung, 2. Dezember 1981, S. 30.
132 Wolfgang Kraus: Kritik als Mode. In: Die Presse, 28. August 1954.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Der Literaturkritiker Kraus 227
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437