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aus.171 Diese Reihe war ein Instrument der staatlichen Kulturpropaganda –
wodurch die Ziele „dieser vom österreichischen Staat subventionierten Buchrei-
he […] ideologisch, politisch und pädagogisch vorgezeichnet“172 waren – und
hatte die von Hugo von Hofmannsthal herausgegebene „Österreichische Biblio-
thek“ zum Vorbild. Zu einem möglichst geringen Preis sollten bedeutende Wer-
ke der österreichischen Literatur „vom ‚Nibelungenlied‘ über Grillparzer und
Weinheber bis zu [Christine] Busta, Lavant und Fritsch dem wissensdurstigen
österreichischen Leser auf eine didaktisch populäre Art und Weise“173 vorgestellt
werden. Viktor Suchy hatte Kraus als Herausgeber der Texte Habecks ausgewählt,
der zunächst „grundsätzlich mit dem Autor“ über die Auswahl sprechen wollte,
der, wie Kraus wußte, „keine ungedruckten Arbeiten“ vorliegen habe, „sodaß
man nur Proben aus dem bisher erschienenen Werk nehmen kann, was ja nicht
ungünstig ist“.174
Habeck, dem Kraus seinen 1983 erschienenen Essayband Nihilismus heute
oder Die Geduld der Weltgeschichte sandte, bedankte sich dafür mit den Worten:
Was immer wir in den jungen Jahren eifrig besprochen haben und ich in letzter
Zeit für verschüttet hielt, jetzt ist es wieder da – und in welcher konzentrierten
Form! Ich gratuliere Dir von ganzem Herzen zu diesem Buch, ich gratuliere Dir zu
Dir selbst und zu Deinem Mut. […] kann ich die Erfolgschancen nicht abschätzen,
würde sie Dir aber aufrichtig wünschen, weil Du keine Kompromisse eingehst und
Deinen Gegner, der ja – wie wir beide wissen, übermächtig ist, direkt angreifst. Ich
habe noch nie eine derartig dichte und fundierte (keinesfalls polemische) Analyse
des Nihilismus gelesen.175
Neben diesen außerhalb des literaturgeschichtlichen Kanons stehenden Autorin-
nen und Autoren waren es aber auch Elias Canetti und Thomas Bernhard, deren
neue Bücher Kraus stets mit Besprechungen begleitete. Zur Wiederveröffentli-
chung von Canettis Die Blendung schrieb Kraus in der „Presse“, dass „auch der
heutige Leser – obwohl das Buch durch die letzten Jahrzehnte und ihre Literatur
zweifellos leichter zugänglich geworden ist – die Bereitwilligkeit [wird] mitbrin-
gen müssen, einem hintergründigen, verschlüsselten, psychisch komplizierten
171 Fritz Habeck: In eigenem Auftrag. Hg. v. Wolfgang Kraus. Graz, Wien: Stiasny 1963.
172 Stefan H. Kaszyński: Die Anthologie „Das österreichische Wort“ als Instrument der staatlichen
Kulturpolitik. In: Janusz Golec (Hg.): Der Schriftsteller und der Staat. Apologie und Kritik in
der österreichischen Literatur. Lublin: Wydawn. Uniw. Marii Curie-Skłodowskiej 1999, S. 175–
185, hier S. 176.
173 Ebd.
174 Wolfgang Kraus an Viktor Suchy, 31. Juli 1962, Dokumentationsstelle für neuere österreichi-
sche Literatur, Wien, N1.A-5, Stiasny-Verlags Archiv.
175 Fritz Habeck an Wolfgang Kraus, 9. August 1983, NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
236 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437