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Creditanstalt erworben, Fritz Klenner, der Pressereferent des Österreichischen
Gewerkschaftsbundes (ÖGB), kaufte sie für die ÖGB-Verlagsgemeinschaft und
holte den Verleger, Journalisten und Schriftsteller Erich Pogats224 in die Geschäfts-
führung, die dieser bis 1976 mit ihm teilte. 1963 wurde die Reihe „Österreich-
profile“ eingeführt, die „sowohl auf österreichisches Selbstverständnis als auch
auf Information über das östlichste Land Westeuropas abzielte“.225 In den Pers-
pektiven wurden u. a. Ernst Fischers Probleme der jungen Generation (1963) oder
Arnold Künzlis kritische Betrachtungen zum Kommunismus unter Tito veröf-
fentlicht, darüber hinaus die von Hermann Langbein herausgegebene zweibän-
dige Dokumentation über den Auschwitz-Prozess. Ab 1964 war Hugo Pepper
Leiter des Verlags. Pepper, der der österreichischen Widerstandsgruppe O5 ange-
hörte, hatte nach dem Zweiten Weltkrieg im Bildungsreferat des Österreichi-
schen Gewerkschaftsbundes gearbeitet und veröffentlichte zahlreiche Bücher
und Artikel, welche die Ereignisse im Austrofaschismus und Nationalsozialis-
mus, die Aktivitäten des österreichischen Widerstandes, die Anfänge der Zwei-
ten Republik sowie die Geschichte der Sozialdemokratie thematisierten.226
Eine programmatische Erklärung des Europa-Verlags unter dem Titel Parti-
tur Europa fasste den Standpunkt des Verlags zusammen:
Das Gesicht des Europa-Verlags wird wesentlich bestimmt durch seinen geogra-
phischen Standort in jener Mitte des Kontinents, die kritische Betrachtung einer
permanent in Wandlung begriffenen Umwelt erfordert, bedächtige Auswahl der
Verhaltensweise vorausgesetzt und zu vernunftgemäßem Ausgleich inmitten beste-
hender Gegensätze verhält. Die geistige Geborgenheit in der westlichen Kultur und
das Eingebettetsein in den östlichen Lebensbereich haben eine typische Lebens-
haltung, aber auch eine ebenso bezeichnende geistige Einstellung geformt.227
Ab 1966 kooperierte der Verlag mit der Europäischen Verlagsanstalt in der Bun-
desrepublik Deutschland. Die Reihen „Perspektiven“ und „Österreichprofile“
brachten vor allem zeitgeschichtliche Publikationen.
Ab den 1970er Jahren versuchte der Verlag, die Programmgestaltung auf „eine
andere Grundlage zu stellen“ und bestellte Kraus zum Konsulenten. In der „Ära
Kraus“ des Europa-Verlags wurde einerseits „die traditionelle Programmlinie –
kritisches politisches Sachbuch, österreichische Zeitgeschichte, europäische und
224 Vgl. zu Erich Pogats: Joseph
P. Strelka: Autor der Menschlichkeit und Freiheit. In: Germanos-
lavica. Zeitschrift für germano-slawische Studien 15 (2004), H. 1, S. 17–29.
225 Renner (Red.): 50 Jahre Europa-Verlag, S. 15.
226 Vgl. Christine Schindler: Hugo Pepper – Widerstandskämpfer, Publizist, Erwachsenenbildner
(1920–2011). In: Mitteilungen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes,
Folge 204, Dezember 2011, S. 1–2.
227 Renner (Red.): 50 Jahre Europa-Verlag, S. 14 f.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
246 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437