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sichtlich seines Titels für eine bedauerliche Selbstherabsetzung des Autors, der
m. E. damit allerdings auch Herausgeber, Mitautoren und Widmungspersonen
involviert.“273
Kraus stand der „Rampe“ und ihrem literarischen Programm zunehmend
ablehnend gegenüber, wie sich seinem Tagebuch entnehmen lässt und konsta-
tierte nach zweijähriger Arbeit, anlässlich einer Herausgeber-Sitzung: „Der Pro-
vinzialismus ist hier nicht auszutreiben“.274 Er kritisierte, dass Pömer „mehr
Oberösterreicher“ als Autorinnen und Autoren wolle, worauf Kraus erklärte, an
einem „Lokalprodukt“ nicht mitarbeiten zu können, denn dadurch komme „Mist
mehr als nötig in die Zeitschrift“, obwohl er den Zusendungen jüngerer Auto-
rinnen und Autoren einiges abgewinnen könne:
Die Zeit der Neo-Dadaisten und avantgardistischen Epigonen ist vorbei. Die jun-
gen Schreiber erzählen wieder einigermaßen kontrollierbar. Meine Attacke gegen
den Provinzialismus und die Lokalbeschränkung löste einigen Schrecken aus. Stets
ist man schockiert, wenn ich das von mir offenbar entstandene Klischee der kom-
promißbereiten Verbindlichkeit nicht einhalte. Ich werde dies zunehmend oft tun,
da ich den Mißbrauch meiner Person verhindern muß.275
Anlässlich des Jubiläums der „Rampe“ wurde Kraus befragt, ob er sich an
unfreundliche Kritiken des ersten Heftes erinnern könne: „An die von Ihnen
genannten Kritiken erinnere ich mich nicht. Man sagte mir aber, daß es vor allem
Widerstände gebe, weil wir von vornherein keine bloß oberösterreichische Zeit-
schrift mit nur oberösterreichischen Autoren herausgaben. Ich selbst war zudem
ein Wiener und dafür bekannt, daß ich mich nicht einmal mit Österreich allein
zufrieden geben werde.“276 Über die „sozialpartnerschaftliche“ Zusammenset-
zung des Redaktionsteams äußerte Kraus, dass er
die oft sehr verschiedenen Meinungen“ von Fussenegger und Bäcker „nie als Extrem-
positionen“ empfunden hätte: „Sie sind sehr verschiedene Menschen und Schrift-
steller, die beide anderes wollen und daher auch anders schreiben. Die Diskussio-
nen hatten hohes Niveau, sie waren spannend, interessant und für mich sehr
fruchtbar – ich nehme an, gerade auch für die RAMPE. Den Begriff ‚Sozialpart-
nerschaftliche Ästhetik‘, den Sie nennen, halte ich für eine total verunglückte Abs-
traktion, da es dergleichen nicht gibt. Übrigens waren beide Persönlichkeiten, so
273 Gertrud Fussenegger: Votum separatum. In: Die Rampe 1 (1975), H. 2., S. 142.
274 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 10. Februar 1977, NL WK.
275 Ebd.
276 Die Gründungsphase. Drei Fragen an Karl Pömer, Gertrud Fussenegger, Heimrad Bäcker und
Wolfgang Kraus. In: Die Rampe, Selbstporträt 1975–1995, S. 14.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
258 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437