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tionalen Sendung, zum Großstaatsmenschen berufen war.“293 Zwischen 1962
und 1994 war Kraus als Juror des Anton-Wildgans-Preis der österreichischen
Industrie aktiv, was Auswirkungen auf die Liste der Preisträgerinnen und Preis-
träger hatte. Der Preis wurde mit wenigen Ausnahmen jährlich vergeben und
war seit 1980 mit einer Summe von 100.000 Schilling (circa 7.500 Euro) dotiert.
Mit dem ersten Preisträger Fritz Hochwälder, wurde ein Autor des Exils prä-
miert, der seit den 1950er Jahren quasi als „Hausautor“ des Wiener Burgtheaters
fungierte und mit Stücken wie Das heilige Experiment (1942), Donadieu (1953)
und Der Himbeerpflücker (1965) Erfolge feierte und dem Kraus freundschaftlich
verbunden war.294
Für das Jahr 1963, in dem Fritz Habeck den Preis erhalten sollte, bestand die
Jury neben Kraus aus Friedrich Heer, Piero Rismondo und Heinrich Schnitzler.
Kraus, welcher der Sitzung fernbleiben musste, da er die Frankfurter Buchmes-
se besuchte, sandte seine Vorschläge brieflich ein: „Habeck ist 46 Jahre alt, hat
insgesamt sechs grössere Romane, sieben Dramen und Hörspiele, eine grössere
Anzahl Erzählungen und einige Jugendromane verfasst, alles Werke, von denen
jedes von der eigenartigen und starken Persönlichkeit des Autors geprägt ist.“295
Habecks Roman Der Ritt auf dem Tiger (1958) nannte er ein „Dokument der
österreichischen Zeitgeschichte von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart“.
Kraus dachte auch daran, Ingeborg Bachmann für den Preis vorzuschlagen,
wobei er davon sprach, dass eine „Preisauszeichnung dieser Autorin“ den Nach-
teil hätte, dass „sie bereits vor einigen Jahren sämtliche deutschen Preise einge-
sammelt hat.“296 Bachmann sollte den Preis dann erst 1971 für Malina erhalten,
ihr voran gingen Christine Lavant (1964), Andreas Okopenko (1965), Herbert
Zand (1966), Thomas Bernhard (1967), Ilse Aichinger (1968), Herbert Eisen-
reich (1969) und Peter Marginter (1970).
Eisenreich nutzte die Preisverleihung, um eine Kampfansage an das Modische
in der österreichischen Literatur zu richten und polemisierte, dass jeder, „der
293 Béla Rásky: Erinnern und Vergessen der Habsburger in Österreich und Ungarn nach 1918. In:
Karl Müller, Hans Wagener (Hg.): Österreich 1918 und die Folgen. Geschichte, Literatur, The-
ater und Film. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2009 (= Literatur und Leben N. F. 76), S. 25–58,
hier S. 34.
294 So erinnert Kraus sich Anfang 1971, als Hochwälders Stern des Erfolgs bereits am Untergehen
war, an dessen Erfolge in der Nachkriegszeit. Vgl. Wolfgang Kraus: Theater der Welt – Welt
des Theaters. Zu Fritz Hochwälders 60. Geburtstag am 28. Mai [April 1971], ms. Ts., NL WK:
„Wenn man das bisherige Gesamtwerk Fritz Hochwälders vergegenwärtigt, erhebt sich sogleich
die Frage, warum seine Stücke in den Spielplänen der letzten Jahre so selten auftauchen. Und
gleichzeitig denkt man an die Tatsache, dass sich unser Theater in einer Krise befindet, dass
nicht nur in den Spielplänen, sondern in der Struktur des Theaters überhaupt Umschichtun-
gen stattfinden.“
295 Wolfgang Kraus an Herbert Krejci, 4. Oktober 1963, ÖGL-Archiv.
296 Ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Literatur-Preise 263
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437