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nahe gleicher Höhe wie der P.E.N.-Club. Die Gründung der GAV war eine Art
„Parallelaktion zum Aufschwung der Sozialdemokratie, in der sich die sozial-
partnerschaftliche Organisation des Literaturbetriebs vollzog“.403 Aus der Grün-
dungsperiode ist ein Notizzettel im Nachlass von Ernst Jandl, Mitbegründer und
ab 1975 Vizepräsident der Organisation, erhalten, auf dem steht, „gegen wen es
geht“: „Kritische Revision der Bewertung der österreichischen Gegenwartslite-
ratur; Schwerpunkte: [Ernst] Schönwiese, [Reinhard] Federmann, Milo Dor,
György Sebestyén, Peter von Tramin, [Friedrich] Torberg.“404
In der Zusammensetzung der Gründungsmitglieder der GAV lassen sich, wie
Roland Innerhofer analysiert hat, vier Gruppierungen unterscheiden: (1) Auto-
ren der ehemaligen „Wiener Gruppe“ (Achleitner, Rühm, Artmann, Wiener)
und diesen nahestehenden Autorinnen und Autoren (Ernst Jandl, Friederike
Mayröcker, Elfriede Gerstl, Gerald Bisinger), (2) Wiener Aktionisten (Günter
Brus, Otto Mühl, Hermann Nitsch, Valie Export), (3) die „Grazer Gruppe“ (Wolf-
gang Bauer, Helmut Eisendle, Gunter Falk, Peter Handke, Klaus Hoffer, Gert
Jonke, Alfred Kolleritsch, Gerhard Roth) sowie (4) politisch engagierte Auto-
rinnen und Autoren aus dem Umkreis des „NEUEN FORVM“ und der Gruppe
„Literaturproduzenten“ (Gustav Ernst, Günther Nenning, Michael Scharang,
Heidi Pataki).405
Kraus’ objektive Beziehung zu dieser heterogenen Gruppierung muss als
ambivalent bezeichnet werden, mit den Vertreterinnen und Vertretern der ers-
ten Gruppierungen, darunter vor allem mit Jandl, dürften das Einvernehmen
noch am besten gewesen sein, sicherlich auch mit vereinzelten Schriftstellerin-
nen und Schriftstellern der dritten Gruppe, wie etwa Peter Handke. Die kultur-
politischen Interessen der anderen Gruppierungen standen Kraus’ Positionen
diametral gegenüber.
Am 30. Oktober 1979 hielt Kraus in seinem Tagebuch lakonisch fest: „Tele-
graphischer Angriff auf mich von der Grazer Autorenversammlung, von Jandl,
der mir nicht nur viel verdankt, sondern oft seine Sympathie versichert: ich habe
zu viel Macht im literarischen Bereich“.406
Ein Telegramm des Exekutivkomitees der GAV, dessen Mitglieder Franz Schuh,
Elfriede Czurda und Marie-Thérèse Kerschbaumer waren, hatte folgendes Memo-
randum publiziert:
403 Ebd.
404 Ernst Jandl: Notizen zur Gründung der GAV. Zit. n. Schuh: Alleingang und sozialer Sinn. In:
Fetz, Schweiger (Hg.): Die Ernst Jandl Show, S. 117.
405 Innerhofer: Die Grazer Autorenversammlung, S. 39 f.
406 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 30. Oktober 1979, NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
284 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437