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turtheoretischen, politischen“ Aspekten zu bedenken, beschränkt sich jedoch
schlussendlich auf den Hinweis, dass „die Förderung von Kultur heutzutage von
einem ‚weiten‘ Kulturbegriff ausgeht, der der kulturellen Vielfalt in einer moder-
nen Gesellschaft entsprechen will“.12
Eine allgemeingültige und konsistente Definition von „Kulturpolitik“ gestaltet
sich auch deshalb schwierig bis problematisch, da die Bedeutung der beiden
Begriffe „Kultur“ und „Politik“ eng an die jeweilige historische Epoche geknüpft
sind.13 In Anlehnung an den Historiker Wolfgang Reinhard hat Max Fuchs in
seiner Überblicksdarstellung Kulturpolitik14 folgende vier Punkte herausgear-
beitet, die den Begriff zwar eine Spur zu weitläufig fassen, die Kernkompetenzen
der damit verbundenen Praxis jedoch anschaulich darstellen: (1) Kulturpolitik
ist staatliche Praxis, (2) sie besteht aus verschiedenen Feldern, z. B. Religion,
Kunst, Medien, Bildung und Wissenschaft sowie Freizeit und Sport, (3) fördert
einen legitimatorischen Aspekt, der mit „Massenloyalität“ zu tun hat und (4)
dient darüber hinaus der Herstellung nationaler Identität.15
Für die folgenden Ausführungen sind sowohl der Aspekt der staatlichen Pra-
xis, das Feld der Literatur sowie die Rolle der Kulturpolitik für die Konstituie-
rung einer nationalen Identität zentrale Faktoren. Hinsichtlich der Zweiten Repu-
blik und ihrer kulturpolitischen Verwaltungsorgane lässt sich der Begriff, in
Anschluss an Marion Knapp, ebenfalls nur lose und sehr weitläufig definieren:
„Öffentliche Kulturpolitik stellt sich demnach als die Summe der Aktivitäten des
Staates und seiner Gebietskörperschaften (in Österreich von Bund, Ländern und
Gemeinden) im kulturellen Bereich dar, wobei die jeweilige Konzeption von
Kulturpolitik entscheidend von dem ihr zugrundeliegenden Kulturbegriff geprägt
wird.“16 Knapp, die eine breitangelegte Untersuchung der österreichischen Kul-
turpolitik seit 1945 vorgelegt hat, gelangt zu einer sehr allgemeinen Definition:
„Die Aufgabe öffentlicher Kulturpolitik kann […] mit dem Herstellen von Rah-
menbedingungen der Produktion, Distribution und Rezeption symbolischer
Güter und Dienstleistungen beschrieben werden.“17
12 Ebd., S. 149.
13 Vgl. Frank Trommler: Kulturmacht ohne Kompass. Deutsche Auswärtige Kulturbeziehungen
im 20.
Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2014. Trommler, der eine materialreiche Stu-
die der auswärtigen deutschen Kulturpolitik von 1900 bis Mitte der 1990er Jahre vorlegt hat,
konstatiert, dass das „Thema auswärtiger Kulturbeziehungen […] als Schlüssel für das Ver-
ständnis der modernen internationalen Geschichte“ gelten kann (S. 9).
14 Vgl. Max Fuchs: Kulturpolitik. 1 Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften 2007, S. 31.
15 Ebd.
16 Marion Knapp: Österreichische Kulturpolitik und das Bild der „Kulturnation“. Kontinuitäten und
Diskontinuitäten in der Kulturpolitik des Bundes (1945 bis 2002). Univ.-Diss. Wien 2003, S. 65.
17 Ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
300 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437