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Mit einigen kulturpolitischen Konzepten der SPÖ ging Kraus jedoch wenig
d’accord oder befand sie als bloße Kopie von ÖVP-Ideen. So kritisierte er etwa,
allerdings nicht öffentlich, dass das „gesamte Kulturleben mit Vereinen […]
durchwirkt“ sei, „die frei konstituiert und vom Staat voll finanziert sind“, wie
etwa die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaften: „Jeder zweite Wissenschaftler und
Autor hängt mit einem Projekt oder bezahlten Reisen an einem solchen Insti-
tut.“75
Auch die Interessensökonomie des sozialdemokratischen Bundeskanzlers sah
Kraus in der Schieflage: „In Graz finanzierte mit erheblichem Anteil das
ÖVP-Bundesland Steiermark ein riesiges linkes Literatursymposion, das Kreis-
ky besuchte und dessen ‚Kulturradikalismus‘ er lobte. Manchmal erscheint die
ÖVP-Politik als hoffnungslos.“76 Kraus dürfte sich auf das 1981 im Rahmen des
Festivals „steirischer herbst“ veranstaltete Literatursymposion „Außenseiter“
beziehen, das den „Mythos des Schriftstellers als Außenseiter“ „im Kontext der
ersten Forum Stadtpark-Generation“77 behandelte. Das Symposion wurde von
Klaus Hoffer, dem damaligen Literaturreferenten des Forum Stadtpark, und dem
Schriftsteller Gerhard Roth organisiert. In seinen „Begrüßungsworten“ an Bun-
deskanzler Kreisky konstatierte Alfred Kolleritsch: „[…] die Schriftsteller, die
es, wie heute, seit zwanzig Jahren besuchen, haben den Ort Forum Stadtpark zur
Innenseite des Außenseitertums einer Stadt und eines Landes werden lassen, da
es am Rande der Aufklärungszonen weniger die Tradition geistiger und gesell-
schaftlicher Auseinandersetzung als die Umwandlung der Reaktion in eine Natur-
tatsache kennt.“78
Hinsichtlich seines Verhältnisses zu den Mächtigen im politischen Feld wurde
Kraus von seinen Gegnern vorgeworfen, dass er stets das richtige Parteibuch für
seine jeweilige Tätigkeit parat habe. Im „Volksblatt“ war etwa ein Artikel erschie-
nen, der berichtete, dass Kraus „die ÖVP verlassen“ habe und „zur SPÖ über-
getreten“ sei: „[I]ch war nie bei einer Partei und trete keiner bei“, hielt Kraus
über diese „unklugen Lügen“79 fest.
Dass für Kraus jedoch immer wieder von „oben“ interveniert wurde, wenn
es um die Durchsetzung seiner Interessen ging, zeigt etwa die ORF-Berichter-
stattung über das 10-jährige Jubiläum der „Österreichischen Gesellschaft für
75 Ders.: Tagebuch., 29. November 1976, NL WK.
76 Ders.: Tagebuch, 26. November 1981, NL WK.
77 Christine Rigler (Hg.): Forum Stadtpark. Die Grazer Avantgarde von 1960 bis heute. Wien,
Köln, Weimar: Böhlau 2002, S. 105 f.
78 Alfred Kolleritsch: Begrüßungsworte an Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky zur Eröffnung des
Literatursymposions im Forum Stadtpark. In: manuskripte. Sonderheft Literatursymposion
1981 „Außenseiter“ (1981), S. 83.
79 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 7. Mai 1976, NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
314 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437