Seite - 337 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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Bereits am 31.
Oktober 1981 gab sich Kraus geschlagen und trat als Leiter der
„Kontaktstelle“ zurück, was jedoch nicht automatisch das Ende seiner kultur-
politischen Funktionen bedeutete. Schon im Juli 1979 war Kraus’ Vertrag geän-
dert worden, er sollte nur noch im Ausmaß von 20 Wochenstunden teilbeschäf-
tigt sein. In seinem „Dienstzeugnis“ ist vermerkt, dass er die „ihm übertragenen
Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit des Bundesministeriums für Auswärtige
Angelegenheiten“ erfüllt habe und die Lösung des Dienstverhältnisses seinem
Wunsch nach „einverständlich gelöst“175 worden sei.
Kraus verließ sich verstärkt auf die von ihm geschulten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die „Konzept und Richtung“ seiner Arbeit kannten und, so Kraus,
imstande seien, „‚innerhalb dieses Rahmens eigenständig zu arbeiten‘“ und ver-
merkt, dass er bei „‚eventuell auftretenden akuten Problemen […] greifbar sein‘“
werde: „Von einer größeren Distanz zum täglichen Aktenbetrieb einer Abteilung,
zu der die Kontaktstelle nicht ganz im geplanten Sinn geworden“ sei, versprach
sich Kraus „‚eine größere Möglichkeit für fruchtbare neue Impulse‘“.176
Dennoch blieb Kraus dem Außenministerium bis in die 1990er Jahre als Kon-
sulent erhalten, was eine sehr wesentliche Position innerhalb des politischen
und literarischen Feldes bedeutete, war er doch für die Durchsicht der Pro-
grammvorschauen der Kulturinstitute und Kulturräte verantwortlich. Darüber
hinaus betraute man ihn mit der detaillierten Begutachtung der Programman-
träge derselben Institutionen; zudem war er zu vier Reisen pro Jahr in die Kul-
turinstitute der Schwerpunktländer sowie einer dreitätigen Kulturreise mit jun-
gen Diplomatinnen und Diplomaten in die österreichischen Bundesländer
beauftragt und gestaltete die jährliche Kulturenquete des Außenministeriums
für die Leiter der Kulturinstitute, Kulturräte und Botschafter der Schwerpunkt-
länder. An der Diplomatischen Akademie in Wien gab er weiterhin Vorträge,
veranstaltete Exkursionen, Seminare sowie Diskussionen über die laufenden
kulturellen Ereignisse, darunter aktuelle Ausstellungen, Theateraufführungen
und neue literarische Werke.
Außenminister Alois Mock bedankte sich in den 1990er Jahren bei Kraus, weil
dieser in „all den Jahren Ihrer fruchtbaren Tätigkeit“ den so „wesentlichen Dia-
log mit der österreichischen Nachwuchsliteratur gesucht und gefunden“ habe,
wobei „nicht allein der Literatur in Österreich“ Kraus’ „Fürsorge“ galt; vielmehr
betonte Mock dessen „visionäre ‚Ostarbeit‘, die Sie mit viel beispielhaftem Engage-
ment verfolgt haben“.177 Auch wenn Kraus innerhalb des literarischen Feldes
175 Dienstzeugnis, Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Zl. 2344/16-VI.1/81,
31. Oktober 1981, NL WK.
176 Zur Reduktion meines Sondervertrages von 80 % auf 50 %, 22.5.1979, ms. Ts., 2 Bl., ebd.
177 Alois Mock an Wolfgang Kraus (GZ 500.19.01/4-V.6/94), 30. März 1994, ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Kulturkontaktstelle 337
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437