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könne. Als erstes europäisches Land, das nicht Mitglied der Europäischen
Gemeinschaft war, wurde Österreich die Gelegenheit gegeben, in diesem Rah-
men eine „Politik zu verfolgen, die sich konsequent gegen Tendenzen wehrt, die
eine Teilung Europas auch auf den kulturellen Bereich ausdehnt“.185 Der finan-
zielle Aufwand war dabei enorm: zunächst wurde er auf 65 Millionen Schilling
geschätzt, Österreich hatte den Beitrag von 30 Millionen zu leisten. Obwohl sich
die belgischen Schätzungen letztendlich auf nahezu 120 Millionen Schilling
beliefen, war der österreichische Beitrag „im Vereinbarungsweg auf diese 30
Mio. S[chilling]. begrenzt worden“186 und sollte durch Einnahmen bei den ein-
zelnen Veranstaltungen, durch Beiträge österreichischer und vor allem belgi-
scher Mitveranstalter und Sponsoren sowie durch belgische Subventionen abge-
deckt werden.
Im Zuge der Vorbereitung war bereits im Oktober 1985 ein Kuratorium sowie
ein Exekutivkomitee konstituiert worden. Dem Kuratorium, das unter dem Vor-
sitz des Bundesministers für Auswärtige Angelegenheiten stand, gehörten maß-
gebliche Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst an,
„deren ideeller und praktischer Beistand angesprochen wurde“.187 Das Exeku-
tivkomitee bestand aus einem Präsidenten, dessen Stellvertreter und vier Exe-
kutivsekretären für die Sachbereiche Ausstellungen, Musik, Theater und Litera-
tur, sowie einem Generalkommissär. Das Programmkonzept sah von Anfang an
vor die österreichische Auslandskulturpolitik, die darum bemüht war, die Rezep-
tion des aktuellen Kulturschaffens zu fördern und bemühte sich, die „durch das
geläufige Österreich-Bild genährten Erwartungen des belgischen Publikums auf
einen gemeinsamen Nenner zu bringen“.188
Im Folgenden soll Kraus’ Rolle hinsichtlich der literarischen Programmierung
der „Europalia“ thematisiert und analysiert werden, ausgehend von Dokumen-
ten, die aufzeigen, dass seine Rolle innerhalb ambitionierter kulturpolitischer
Projekte ihm Kritik von Seiten des politischen ebenso wie des literarischen Fel-
des einbrachte. Übertragen wurde ihm die Aufgabe, die Sektoren „Literatur“
sowie „Symposien und Vorträge“ zu konzipieren, wobei ein Konzeptpapier fest-
hält, dass versucht werden sollte, die „gemeinsame Geschichte“ zwischen Belgi-
en und Österreich aufzuarbeiten und „darüber hinaus eine gewissermaßen enzy-
klopädische Darstellung der jüngeren und jüngsten österreichischen
Kulturgeschichte, soweit die Themen nicht durch die anderen Programmberei-
che abgedeckt sind, anhand von Einzelveranstaltungen“189 zu geben. Kraus wur-
185 Ebd.
186 Ebd.
187 Ebd.
188 Ebd.
189 Ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
340 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437