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dungen an Jandl und Mayröcker dafür gar kein Honorar angegeben worden war:
„Meine Befürchtung ist, daß dadurch die Zusagen erschwert werden. Wie ich
die Situation kenne, wird ohne Honorar die Begeisterung wesentlich geringer
ausfallen.“235 Hinsichtlich der Einladungszusagen bzw. -absagen dürfte einige
Verwirrung bestanden haben, die Veranstaltung mit den avantgardistischen
Autorinnen und Autoren ließ sich organisatorisch nicht realisieren. Bauer und
Turrini traten im Rahmen der Veranstaltung „Volkstheater“ auf, während Scha-
rang den Programmpunkt „Literatur und Politik“ bestritt, der sich seinen Wer-
ken widmete. Kraus konnte sich schlussendlich also den Weisungen aus Brüssel,
vermutlich aber auch dem kulturpolitischen Druck in Österreich, nicht entzie-
hen.
Hinsichtlich der Einladungspolitik seines Literaturfachmannes stellte sich Franz
Ceska, der Präsident des Exekutivkomitees für die „Europalia 88“, dezidiert hin-
ter Kraus und wies darauf hin, dass etwa zur Diskussion „Literatur und Politik“
aus Österreich nur Erich Fried und Michael Scharang eingeladen worden waren
und er Kraus’ Vorschlag, auch konservative Schriftstellerinnen und Schriftstel-
ler einzuladen, unterstütze, denn er konnte daran „nichts Anstößiges“ finden,236
wobei er gleichzeitig darauf hinwies, dass Jean-Pierre Rondas sich in einer Sit-
zung geweigert habe, den Kreis an Einladungen zu erweitern. Kraus sprach in
einem Leserbrief an „profil“ davon, dass er „durchaus für das Auftreten von
linksradikalen und linksengagierten Autoren“ wäre, aber „ebenso für Lesungen
liberal-konservativer Schriftsteller des christlichen Lagers. Ich bin gegen einsei-
tige Darstellungen, und ich wäre auch gegen Einseitigkeit in konservativer Rich-
tung.“237
Die „Arbeiter-Zeitung“ berichtete, dass Turrini und Scharang in Brüssel präsent
sein würden, jedoch nicht von Wien, sondern von Brüssel aus eingeladen wor-
den seien. Der einzige „Bezugspunkt zum ‚Büro‘“ in Wien sei folgender gewe-
sen: „‚Einmal ist ein belgisches Fernsehteam gekommen, um uns zu filmen. Da
hat man ihnen gesagt, lassen S’ das, die haben eh keine Zeit‘ (Turrini).“238 Erich
Fried, der neben Scharang am 27. Oktober an der Universität Brüssel im Rah-
men der Veranstaltung „Literatur und Politik“ lesen sollte, „hätte am liebsten
abgesagt“.239 Gegenüber der „Arbeiter-Zeitung“ äußerte er sich via Manager
235 Wolfgang Kraus an Madou Moulaert, 25. März 1987, ÖGL-Archiv.
236 N. N.: Erfüllungsgehilfe. In: profil, 7. September 1987, S. 16.
237 Ebd.
238 N. N.: „Europalia oder Euro-Lappalie“. In: Arbeiter-Zeitung, 20. August 1987, S. 16 f., hier
S. 17.
239 Ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
„Europalia 1988“ 349
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437