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auf dem Sehen der Schönheit des Heimatlandes“.18 Mit dem Kalten Krieg in
Zusammenhang steht auch die gescheiterte Entnazifizierung19 innerhalb der
österreichischen Gesellschaft, da dieser ein gemeinsames Feindbild zwischen
den Westmächten und dem Nationalsozialismus restituierte.
Diejenigen Intellektuellen, die darum bemüht waren, den Einfluss der sowjeti-
schen Kulturpropaganda einzudämmen, waren US-Remigranten, pro-westliche
„Atlanticists“20, wie Friedrich Torberg, der 1951 aus dem Exil nach Österreich
zurückgekehrt war oder Hans Weigel, der nach dem „Anschluss“ 1938 nach
Zürich geflüchtet war und unmittelbar nach der Befreiung Österreichs im Sep-
tember 1945 wieder in Wien eintraf. Weigels und Torbergs Boykott der Stücke
Bertolt Brechts ist in die Literaturgeschichte als Beispiel der antikommunisti-
schen Aktivitäten in Österreich eingegangen, wobei Torberg als FBI-Informant
Brecht bereits im Exil denunziert hatte.21 Damit ist auch das Diktum eines ande-
ren Exilanten, nämlich Ulrich Bechers, bestätigt, der festhielt, dass der Kalte
Krieg unter Schriftstellerinnen und Schriftstellern im Exil bereits früher begann
als auf dem europäischen Festland.22
Ab 1947 schlugen dann die antikommunistischen Wellen auch über Öster-
reich zusammen. Die rigiden Zuordnungen, die der Kalte Krieg mit sich brach-
te, verbaten eine alternative Position, erzeugten vielmehr einen „Bekenntnis-
18 Gert Kerschbaumer: Der kalte Krieg gegen die Moderne. In: Ders., Karl Müller (Hg.): Begna-
det für das Schöne. Der rot-weiß-rote Kulturkampf gegen die Moderne. Wien: Verlag der
Gesellschaftskritik 1992, S. 117–204, hier S. 185.
19 Vgl. Robert Knight: Kalter Krieg, Entnazifizierung und Österreich. In: Sebastian Meissl,
Klaus-Dieter Mulley, Oliver Rathkolb (Hg.): Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne. Entnazifizie-
rung in Österreich 1945–1955. Symposion des Instituts für Wissenschaft und Kunst, März 1985.
Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1986, S. 37–52.
20 Malachi Haim Hacohen: From Forvm to Neues Forvm: The Congress for Cultural Freedom,
the 68ers and the Émigres in Austria. In: Oliver Rathkolb, Friedrich Stadler (Hg.): Das Jahr
1968 – Ereignis, Symbol, Chiffre. Göttingen: V&R unipress 2010 (= Zeitgeschichte im Kontext
1), S. 239–274, hier S. 244.
21 Alexander Stephane: „Communazis“. FBI Surveillance of German Emigré Writers. New Haven:
Yale Univ. Press 2000, S. 22.
22 Ulrich Becher: Junge deutsche Dichter für Aufhörer. In: Weltwoche, Zürich, 11. September
1964, S. 25, zit. n. Anne McClure Zeller: Ulrich Becher. A Computer-Assisted Case Study of
the Reception of an Exile. Bern [u. a.]: Peter Lang 1983 (= Deutsche Sprache und Literatur
655), S. 67. 1961 beschwerte sich Becher bei dem Journalisten Johann Muschik, dass Torberg
die Aufführung seiner Stücke in Österreich verhindere. Mit der Inszenierung des zusammen
mit Peter Praeses verfassten Stücks Der Bockerer war Becher am kommunistischen Theater in
der Scala in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch erfolgreich gewesen. Noch im Exil hatte
Torberg Becher wegen der Urheberrechte gerichtlich geklagt. Vgl. Brief von Ulrich Becher an
Johann Muschik, 5. April 1961, Autographensammlung der Dokumentationsstelle für neuere
österreichische Literatur, Wien, Sign.: H.1. Ulrich Becher.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 359
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437