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Günther Stocker und Michael Rohrwasser haben darauf hingewiesen, dass
die „öffentliche Rolle von Autorinnen und Autoren im Besonderen wie von Intel-
lektuellen im Allgemeinen“ während des Kalten Krieges eine „gesellschaftliche
Aufwertung“ erfuhr und ihnen eine „politische Bedeutung zugesprochen“ wur-
de, die „sie faktisch gar nicht haben, weshalb ihre literarischen und vor allem
publizistischen Äußerungen immer wieder erhöhte Aufmerksamkeit“28 erfuh-
ren. So wirkten zahlreiche österreichische Schriftstellerinnen und Schriftsteller
nach 1945 in den Medien der Besatzungsmächte und beteiligten sich an der Pro-
paganda der ehemaligen Alliierten, die einander nun in der Konfrontation der
Systeme gegenüberstanden.
Ein prominentes Beispiel ist etwa Friedrich Torberg, der als „Consultant of
the Officer of Public Affairs“ des „Foreign Service, Cultural Division“ der US-Be-
satzungsmacht eine Glosse mit dem Titel „P.S.“ für den „Wiener Kurier“ verfass-
te sowie Hans Weigel, der seine antikommunistische Propaganda in verschiede-
nen parteigebundenen österreichischen Zeitungen, aber auch in Medien der
Besatzungsmächte publizierte. Zu Beginn ihrer Karriere folgte auch Ingeborg
Bachmann der antikommunistischen Veröffentlichungspolitik des Kalten Krie-
ges, erhielt sie doch durch Vermittlung der Journalistin Elisabeth Liebl, die für
den „Wiener Kurier“ arbeitete, eine Stelle als „Script Writer Editor“ beim US-ame-
rikanischen Besatzungssender „Rot-Weiß-Rot“, um ihre materielle Existenz zu
sichern.29
Auf der entgegengesetzten ideologischen Seite schrieb Ernst Fischer, das intel-
lektuelle „Aushängeschild“ der KPÖ, regelmäßig im „Tagebuch“ sowie in ande-
ren wichtigen kommunistischen Zeitungen und Zeitschriften. Das dem ortho-
doxen Stalinismus verpflichtete Stück Der große Verrat, eine Abrechnung mit
dem „dritten Weg“ Josip Broz Titos wurde 1950 am Wiener „Theater in der Sca-
la“ aufgeführt und stellte „die in Theaterpraxis gegossene letzte Konsequenz der
stalinistischen Kunstdoktrin von der Parteilichkeit der Kunst im Dienste der
Sowjetunion dar“.30 Der Lyriker und Übersetzer Hugo Huppert nahm als eine
„der schillerndsten Persönlichkeiten im Korps der sowjetischen Politoffiziere“31
und Sowjetunion 1945 bis 1955. In: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 13
(2005), S. 141–170.
28 Günther Stocker, Michael Rohrwasser: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Spannungsfelder. Die deutsch-
sprachige Literatur im Kalten Krieg (1945–1968). Wuppertal: Arco 2014 (= Arco Wissenschaft),
S. 9–18, hier S. 12.
29 Vgl. Joseph McVeigh: Nachwort. In: Ingeborg Bachmann: Die Radiofamilie. Hg. und mit einem
Nachwort von Joseph McVeigh. Berlin: Suhrkamp 2011, S. 337–388.
30 Evelyn Deutsch-Schreiner: Theater im „Wiederaufbau“: zur Kulturpolitik im österreichischen
Parteien- und Verbändestaat. Wien: Sonderzahl 2001, S. 168.
31 Wolfgang Mueller: Österreichische Zeitung und Russische Stunde. Die Informationspolitik der
sowjetischen Besatzungsmacht in Österreich 1945-1955. Univ.-Dipl. Wien 1998, S. 9.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 361
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437