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im Hintergrund der sowjetischen Kulturpolitik eine ähnlich wichtige kulturpo-
litische Rolle ein wie Ernst Lothar, der als US-Kulturoffizier auf der anderen
ideologischen Seite für „Entnazifizierung, Wiederaufbau des kulturellen Lebens
in der US-Zone Österreichs sowie Verbreitung amerikanischer Theater- und
Musikstücke“32 zuständig war. Reinhard Federmann und Milo Dor veröffent-
lichten nicht nur in der „Arbeiter-Zeitung“ antikommunistische Artikel, son-
dern auch in „Kontakte“, den „Mitteilungen vom Kongress für die Freiheit der
Kultur“33 sowie in der von Günther Birkenfeld herausgegebenen Broschüre
Sprung in die Freiheit, die das Phänomen des Flüchtlingsstroms aus der „Sow-
jetzone“ nach Westberlin thematisierte und deren Zusammenstellung vom Ber-
liner Büro des Kongresses für kulturelle Freiheit ermöglicht worden war.
Während des Kalten Krieges nahm die Literatur als Propaganda-Waffe eine zen-
trale Rolle ein. Die Instrumentalisierung von Texten durch die ideologischen
Konkurrenten werden etwa im Falle von George Orwells Animal Farm (1945)
und Nineteen Eighty-Four (1949), aber auch Hannah Arendts The Origins of
Totalitarianism (1951) deutlich, was bei den Schriftstellerinnen und Schriftstel-
lern nicht immer auf Wohlgefallen stieß. Dagegen verfasste Arthur Koestler mit
Darkness at Noon (1940) und The Age of Longing (1951) zwei Bestseller des Kal-
ten Krieges und offenbarte seine Abkehr vom Gott der keiner war (1950; i. engl.
Orig.: The God that failed) in der gleichnamigen, von Richard Crossman, einem
britischen sozialistischen Politiker und Experten für psychologische Kriegsfüh-
rung, herausgegebenen Anthologie.
Die „United States Information Agency“ (USIA) war für die Produktion und
Distribution von US-amerikanischer Literatur sowie für die 196 Bibliotheken der
„US-Information-Centers“, die in 64 Ländern bestanden, zuständig. Die im Mit-
arbeiterjargon auch „Propaganda-Shops“ genannten „Amerika-Häuser“, von
denen sich zwölf in Österreich befanden, waren gefüllt mit Lesestoff, der mit der
US-Außenpolitik kongruent sowie mit dem Image, das die USA sich auferlegt
hatte, kompatibel war.34 Darüber hinaus förderte die USIA auch US-amerikani-
sche Bücher mittels lokaler Publikationen und Übersetzungsprogrammen. Bis
1960 wurden insgesamt 44 Millionen Exemplare von 4.400 Titeln in 50 Sprachen
32 Oliver Rathkolb: Ernst Lothar – Rückkehr in eine konstruierte Vergangenheit: Kulturpolitik
in Österreich nach 1945. In: Thunecke (Hg.): Echo des Exils, S. 279–295, hier S. 288.
33 Vgl. Milo Dor, Reinhard Federmann: Brief aus Wien. In: Kontakte. Mitteilungen vom Kongress
für die Freiheit der Kultur 1 (1952), H. 11, S. 9
f.; Reinhard Federmann: Verdächtige Subjekte.
In: Kontakte 3 (1953), H. 13, S. 12 f.
34 Vgl. Reinhold Wagnleitner: Coca-Colonisation und Kalter Krieg. Die Kulturmission der USA
in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1991 (= Öster-
reichische Texte zur Gesellschaftskritik 52), S. 159 f.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
362 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437